Sonntag, 8. März 2009

Das Konzil meiner Kindheit

Das II. Vaticanum war das große Ereignis meiner Kindheit. Ich wurde gelehrt, begeistert zu sein; und ich war begeistert. Ich war begeistert vom guten Papst Johannes – freilich war ich zuvor ebenso begeistert vom Papst meiner frühen Kindheit, Pius XII. Vom Konzil erfuhr ich konkret eher wenig; begeistert waren wir vom Mythos des Konzils, der ebenso alt ist wie das Konzil selbst. Auch danach, unter Paul VI., erlebte ich einen Aufbruch in der Kirche, der mir gefiel – nicht in allem, aber doch insgesamt gefiel.
Meine Enttäuschung begann, als ich Paul VI. persönlich erlebte. An seiner Gläubigkeit, Ehrlichkeit und Intelligenz habe ich nie gezweifelt; aber seine Trockenheit erschreckte mich. Und dann sah ich in den 70er Jahren, wie an die Stelle der Aufbruchsstimmung mehr und mehr bleierne Langeweile trat.
Was ist nach all diesen Jahren geblieben? Johannes XXIII. ist für mich immer noch eine beeindruckende Gestalt – aber auch eine Sphinx.
Das Konzil meiner Kindheit jedoch ist mir geraubt worden. Es ist zum Geßlerhut gemacht worden, zu dem man sich zu bekennen hat, zur Waffe der Verfechter des gnadenlosen «Immer nur weiter so» gegen jedwede Neubesinnung. Das Wort «Konzil» hat einen schalen Geschmack bekommen.
Und dazu ist es zu schade. Ich weiß, daß dieses Konzil Notwendiges und Gutes gebracht hat. Aber das wirkliche Konzil scheint fast verschüttet unter dem Konzil der Konzilsbeschwörer. Und ich wünsche mir, daß die Erinnerung an dieses Konzil nicht dadurch zerstört wird, daß an die Stelle jeglicher Erwägung seiner geistlichen und pastoralen Ziele die Pflicht des sinnentleerten Bekenntnisses «zum Konzil» gesetzt wird.

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