Samstag, 12. April 2014

Kann man das heute noch so sagen?


Barmherziger Gott,
du wirkst das Heil der Menschen zu jeder Zeit;
in diesen Tagen aber bist du uns besonders nahe.
Trage Sorge für dein Volk,
schütze die Getauften
und alle, die sich auf die Taufe vorbereiten.

Beim Beten der Tagesoration des Samstags der fünften Fastenwoche stolpere ich: Wieso ist Gott uns in diesen Tagen besonders nahe? 

Ich wittere, daß hier Aggi Ornamento, der berühmte pastorale Besserwisser der 1960er Jahre, das lateinische Original „zeitgemäß“ aktualisiert und einfühlsam an die Verständnisfähigkeit „der Leute“ angepaßt hat, interessiere mich natürlich für die lateinische Vorlage und finde in meinem Missale Romanum die Originaloration:

Deus, qui omnes in Christo renatos

genus electum et regale sacerdotium fecisti,

da nobis et velle et posse quod praecipis,

ut populo ad aeternitatem vocato

una sit fides cordium et pietas actionum.

(übrigens im Ordo Originis die Oration nach der 10. Prophetie in der Ostervigil)

möglichst wörtlich übersetzt:

Gott, der du alle in Christus Wiedergeborenen
zu einem erwählten Volk und einem königlichen Priestertum gemacht hast,
gib uns, sowohl zu wollen als auch zu können, was du vorschreibst,
damit das zur Ewigkeit berufene Volk
eins sei im Glauben der Herzen und in der Barmherzigkeit der Taten.

Kann man das heute noch so sagen?

Und: Was hat das mit der offiziellen Übersetzung des deutschen Meßbuches zu tun?

Ad fontes!


Nachtrag:

Eben erhielt ich den Hinweis, daß die Orationen in der editio tertia des Missale Romanum von 2002 zum Teil umgestellt worden sind. Die in der älteren Fassung von 1975, die ja der offiziellen deutschen Übersetzung zugrundeliegt, am Samstag der 5. Fastenwoche vorgesehene ist in die Messe "Pro electione seu seu inscriptione nominis" (Eingliederung in die Kirche, erste Katechumenenmesse) gewandert. Ihr Text lautet:

Deus, qui, licet salutem hominum semper operaris, 
nunc tamen populum tuum gratia abundantiore laetificas, 
respice propitius ad electionem tuam, 
ut piae protectionis auxilium 
et regenerandos muniat et renatos.

Was so übersetzt werden kann:

Gott, der du das Heil der Menschen immer wirken kannst,
doch nun dein Volk mit noch überfließenderer Gnade erfreust,
sieh gütig auf deine Erwählung,
daß die Hilfe heiligen Schutzes
sowohl denen, die wiedergeboren werden sollen, zukomme
als auch den Wiedergeborenen.

Da ist die offizielle Übersetzung schon näher am Original - ich muß also etwas Abbitte leisten, obwohl: Kann man besser machen.

1 Kommentar:

  1. Sehr schön, endlich mal auf Deutsch.

    Ich kenne solche Analysen vorwiegend aus dem Blog von Fr. Zuhlsdorf wdtprs.com (What does the prayer really say!).

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