Freitag, 30. Oktober 2015

Die moderne Wissenschaft erst

sei wirklich vertrauenswürdig, sie beobachte genau, beschreibe sachlich, gehe angemessen methodisch vor, ziehe ihre Schlüsse nur aus gesicherten Tatsachen. So ungefähr stellt es sich der durchschnittliche gebildete Zeitgenosse vor (sicher, wer schon einmal im Wissenschaftsbetrieb gearbeitet hat, sieht das etwas weniger unbefangen). Den Beobachtungen aus älterer Zeit, solchen besonders, die älter sind als der Triumphzug der Aufklärung, wird mißtraut, damals seien die Menschen naïver gewesen, leichtgläubiger, auf ihre Beobachtungen sei wenig, auf ihre Schlüsse kein Verlaß.
Diese Bewertung: ist das eine angemessene Folgerung aus den Fortschritten des wissenschaftlichen Denkens seit der Aufklärung?
Sicher: die Wissenschaft hat in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten Fortschritte gemacht, die dazu beitragen, heute vieles genauer zu sehen als damals. Allerdings: scheinbar wissenschaftlich begründeten Aberglauben gibt es auch heute reichlich, oft ganz frisch aus den Laboratorien der modernen Naturwissenschaft hervorgekommen, so etwa die „Neuromythologie“, wie sie Felix Hasler nennt.

Kommt also dieser Glaube an die Überlegenheit modernen Wissens wirklich von den Fortschritten unserer Zeit?

Bei der Lecture von „De re publica“ belehrt mich M. Tullius Cicero eines Besseren. Dort schon findet sich dieses Denkmuster (nun gut, mit dem Umfang der schon ausreichend modernen Zeit ist Cicero sehr viel großzügiger als unsere Zeit), aus dem Munde von P. Cornelius Scipio Africanus, den Cicero mit sehr modern klingenden Sätzen bemerkenswerterweise begründen läßt, wieso die Apotheose des Romulus historisch glaubwürdig sei:
(L. II, 18) «atque hoc eo magis est in Romulo admirandum, quod ceteri qui dii ex hominibus facti esse dicuntur, minus eruditis hominum saeculis fuerunt, ut fingendi proclivis esset ratio, cum imperiti facile ad credendum inpellerentur, Romuli autem aetatem minus his sescentis annis iam inveteratis litteris atque doctrinis omnique illo antiquo ex inculta hominum vita errore sublato fuisse cernimus. nam si, id quod Graecorum investigatur annalibus, Roma condita est secundo anno olympiadis septumae, in id saeculum Romuli cecidit aetas, cum iam plena Graecia poetarum et musicorum esset, minorque fabulis nisi de veteribus rebus haberetur fides.»

Der Glaube an die Überlegenheit der neuen Zeit scheint, wenn er auch mit dem an das längst vergangene Goldene Zeitalter konkurrieren muß, etwas in der Menschheit aller Zeiten verbreitetes zu sein.

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