Dienstag, 15. November 2016

Papst Franziskus, die evangelische Freiheit und die Tradition

Ein Priester hatte geschrieben:

„Der Heilige Vater hat entschieden, nicht zu antworten.“ (Seit September)
Damit begründen vier Kardinäle die Veröffentlichung ihres Briefes an Papst Franziskus:
Tatsächlich glaube ich, daß wir als Kirche gerade in eine neue Epoche eintreten und die alte „kasuistische“ Sichtweise der Dinge einer „weiteren“, geistlichen weicht. Den Epochenwechsel spricht Papst Benedikt ja auch in seinen „Letzten Gesprächen“ mit Peter Seewald an. Und es könnte wirklich sein, daß dazu Papst Franziskus das von Gott erwählte Werkzeug ist. Aber daß er nicht antwortet, ist doch etwas ruppig, oder?

Darauf hat er diese Antwort erhalten:

"die Unterscheidung in „Kasuistische“ und „weitere, geistliche“ Sichtweise könnte aus dem Vokabular von Kardinal Kasper und Genossen stammen. Ihnen hätte ich sie nicht zugetraut. Mal sehen, wessen Werkzeug der „ruppige“ „Papst“ Franziskus ist! An den Frücht(ch)en werdet Ihr sie erkennen."

Die Reaktion des Priesters:

Im Laufe von ... Jahren Leben und ... Jahren Seelsorge habe ich Erfahrungen gemacht, die mich geprägt und meine Sicht verändert haben. Ein Kasperianer bin ich darum aber bestimmt nicht. Die - um das Gegenwort des von Ihnen kritisierten zu gebrauchen - „Enge“ mancher traditionalistischer Kreise habe ich zum einen nie geteilt und zum anderen ist sie mir immer fremder geworden. Gerade in ... habe ich manche tragischen Psychosen beobachtet, die in Sühnenächten u.ä. prächtig gedeihen. „Enge“ ist nicht nur sprachlich die Wurzel der „Angst“.

Mir geht es - auch in meinem Eintreten für die Tradition der Kirche - um die Freiheit des Evangeliums, und das nicht „nur“ zum ewigen Heil der Menschen. Sie sollen Christus als ihren Heiland erkennen und mit ihm in lebensspendenen Kontakt kommen. (Das meine ich mit „geistlicher Weite“). 

Ich bin Katholiken begegnet, die nicht nach den „kasuistischen“ Regeln leben - wiederverheiratet Geschiedenen, Homosexuellen… - und die teilweise nach langer Irrfahrt zur Kirche zurückgefunden haben. Ich habe Respekt vor deren Leben und Lieben, vor deren Geschichte, die sie ja zur Kirche zurückgeführt hat. (Der Heilige Geist schreibt auf krummen Linien gerade…) Sie leben aus dem Wort Gottes und seinen Sakramenten - letzteres gegen das Kirchenrecht. Immer habe ich das ihnen auch gesagt, wenn ich denn mit ihnen im Gespräch war - nicht als „Verbot“, aber um der Klarheit willen. Die meisten haben sich dann nach ihrem Gewissen entschieden, mit dem Herrn auch in den Sakramenten verbunden sein zu wollen. Es gibt auch andere Fälle; hier habe ich nie versucht, sie zu „überreden“, doch zur Kommunion zu gehen, sondern auch diese Haltung im geistlichen Gespräch geachtet.

Wenn Papst Benedikt zu Beginn seines Pontifikats gesagt hat, daß es soviele Wege zum Himmel gebe, wie es Menschen gibt, verstehe ich das als einen Schritt in diese „katholische Liberalität“. Wenn ich es biblisch ausdrücken darf, ist die Erkenntnis meines bisherigen seelsorglichen Wirkens tatsächlich: „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig.“

Auch wenn ich es im Augenblick nicht erkennen kann, glaube ich, daß eben dieser Geist in der Kirche wirkt und uns diesen Papst geschenkt hat. Mir paßt vieles an ihm nicht - und da wären auch objektive Kriterien ins Feld zu führen, wie es jüngst die vier Kardinäle getan haben. Dennoch will und kann ich als zutiefst kirchlicher Mensch nicht davon ablassen, daß „die Mächte der Finsternis“ diese Kirche nicht überwältigen. Trotz oder vielleicht sogar gerade durch die Schwächen dieses Papstes führt Christus seine Kirche - nicht durch jedes Wort, was er sagt, nicht durch jede Platitüde, aber eben doch im Ganzen (geistlich und sozusagen „weit“…). So will ich es immer noch glauben.

1 Kommentar:

  1. «Sie leben aus dem Wort Gottes und seinen Sakramenten – letzteres gegen das Kirchenrecht» – ich fürchte, Dein Amtsbruder nennt hier das Gebot Christi «Kirchenrecht».
    Daß Menschen Sünder sind, verstehe ich – wir alle sind ja Sünder. Daß sie sich dennoch irgendwie in den Himmel hineinmogeln möchten (um mit Bruce Marshal zu reden), verstehe ich ebenso – auf irgendeine Art machen wir das fast alle so.
    Aber wo Menschen offen ohne Umkehrwillen gegen das Gebot Christi leben, dazu zu sagen: «Sie leben aus dem Wort Gottes und seinen Sakramenten», das geht nicht.

    AntwortenLöschen