Samstag, 23. April 2022

Христос воскрес! unter Artilleriebeschuß und Bomben

Heute beginnt das Osterfest der orthodoxen Kirchen sowie katholischer und vorchalzedonensischer Kirchen. Gemeinsam feiern es die russische Kirche und die Kirchen der Ukraine, zweier Länder, die einst mehr als siebzig Jahre gemeinsam unter der Unterdrückung durch das Sowjet-Regime und durch Tscheka und KGB litten.
Und nun müssen die Völker dieser Länder erleben, wie durch einen alten KGB-Führer die russische Armee in die Rolle Kains gedrängt wird (wie ein russisch-orthodoxer Bischof es ausdrückte, wie russisch-orthodoxe Priester und Diakone es wiederholten), wie ukrainische Zivilisten und Soldaten von ihr niedergemacht werden, Städte pulverisiert werden.
Mögen die Russen trotz aller Meinungsdiktatur (und trotz dem Beifall eines anderen ehemaligen KGB-Offiziers, der zum Patriarchen von Moskau umgerubelt worden ist) vor Augen haben, daß sie von einem gemeinsamen Feind in diesen Krieg geschickt werden; mögen die Ukrainer vor Augen haben, daß es nicht das russische Volk ist, das ihr Land verwüstet, sondern die es sind, die ihre in Sowjet-Zeiten wurzelnde Macht nutzen, eine Armee in die Rolle Kains zu treiben, ein ganzes Volk in die Abels zu zwingen.
Христос воскрес – Christus ist erstanden! Mögen beide Völker dessen eingedenk sein und die verabscheuen, die Haß sähen.
Möge der auferstandene Herr selber Seinen Frieden geben.

Dienstag, 19. April 2022

Arvo Pärt an das Volk der Ukraine

Arvo Pärt, den man als den bedeutendsten lebenden Komponisten ansehen darf, der sich in Musik und Leben als Christ zeigt, der sich seit fünfzig Jahren ungebrochen zur russisch-orthodoxen Kirche bekennt, hat vor einigen Wochen öffentlich erklärt:
«Liebe ukrainische Freunde, liebe Kollegen, alle die, die jetzt um den Preis ihres Lebens um ihre Heimat kämpfen!
Wir verneigen uns vor Eurem Mut, dessen Preis ungeheuerliches Leid ist.
Wir werden so sehr mit Euch sein, so sehr wir es können werden. Alles, was uns bleibt, das sind ein Klumpen im Hals, Tränen und Gebet. Die Worte haben ihre Bedeutung verloren.
Vergebt uns!
Vergebt uns, daß wir nicht vermocht haben, Euch vor einer Katastrophe zu schützen, die in unserer Zeit undenkbar war.
Ehre der Ukraine! Слава Україні!

Dienstag, 5. April 2022

Wie anders war die Zeit des Auftretens des Herrn als die unsere

Am Passionssonntag wurde nach neuer Leseordnung die Perikope von der Ehebrecherin (Joh. 8, 2-11) gelesen.
«Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster auf sie einen Stein!» Und die Schriftgelehrten und Pharisäer besannen sich und, angefangen von den Ältesten, nahmen Abstand davon, das Urteil zu vollziehen, und machten sich still und leise davon.
Wie anders wäre es in unserer Zeit. Selbst für Christen ist die Gewissenserforschung längs nicht mehr selbstverständlich; und damit, daß säkulare Menschen sich als Sünder erkennen könnten, rechnet wohl niemand mehr. Da reicht das Spektrum von den Politisch-Korrekten, bei denen es keine Vergebung gibt, bis zu den säkularen Rechten, die keine Gnade kennen.

Samstag, 2. April 2022

Ein heißer und ein vergessener Krieg

Die russischen Bodentruppen machen keine Geländegewinne mehr, können aber auch nicht wirklich geschlagen werden – der Bodenkrieg gegen die Ukraine stagniert. Doch mit ihren Fernwaffen fährt die russische Armee damit fort, ukrainische Städte zu pulverisieren.
Waffenlieferungen an die Ukraine? Moralisch ist es zu rechtfertigen, einem Staat, der von einem anderen überfallen worden ist, mit einem Krieg, der sich auch exzessiv gegen dessen Zivilbevölkerung gerichtet, Waffen zur Verteidigung zu liefern. Ob es aber sinnvoll ist, bei dieser Frage verheddern sich moralische Überlegungen. Helfen solche Lieferungen der Ukraine, Frieden zu finden? Oder verlängern sie nur das Leiden der Menschen in den ukrainischen Städten? Und wenn die Ukraine sich allen russischen Forderungen unterwürfe, würde das die russische Regierung zu weiteren Angriffskriegen ermuntern? Müßten auch Ukrainer in Gebieten, die dann unter russischer Gewalt blieben, damit rechnen, für solche russischen Angriffskriege zwangsrekrutiert zu werden?
Ein wenig scheint man sich allmählich an diesen Krieg zu gewöhnen – natürlich nur, wenn man weit davon entfernt ist –; andere Kriege jedoch geraten dabei ganz in Vergessenheit.
Offenkundig sinnvoll gewesen aber wären Waffenlieferungen vor anderthalb Jahren an Armenien und Karabach, ganz besonders Waffen gegen türkische und chinesische Drohnen in azerbaidschanischer Hand, die damals Karabach terrorisierten.
In Karabach war es die russische Regierung, die im letzten Augenblick einschritt, ist es die russische Armee, die, freilich für fünf Jahre befristet, den brüchigen Frieden sichert. Nun aber, da sich Rußland in ein anderes militärisches Abenteuer eingelassen hat, beginnen wieder aserbaidschanische Angriffe, Beschuß, militärische Einfälle, Terror; die Bevölkerung flieht. Was droht, was von aserbaidschanischer Seite angestrebt wird, ist ethnische Säuberung, ist die Vertreibung der alteingesessenen Bevölkerung des Landes.
Und es droht auch der Abzug russischer Truppen aus Armenien, um sie an die ukrainische Front zu werfen, so daß auch die Republik Armenien selbst in Gefahr gerät. Daß Armenien Russen aufnimmt, die vor dem Krieg gegen die Ukraine, vor Kriegseinsatz und Meinungsdiktatur fliehen, könnte zusätzlich Rußland dazu bringen, den (keineswegs altruistischen) Beistand für Armenien aufzugeben.
Das älteste christliche Land, Armenien zusammen mit Karabach, ist in Gefahr, nicht erst jetzt, aber durch den russischen Überfalls auf die Ukraine mehr den zuvor.