Große Sorgen hat es manchem bereitet, was letztendlich aus den Bischofssynoden zum Thema von Ehe und Familie hervorgehen könnte; und nun: das Ergebnis ist
Amoris laetitia, ein Schreiben des Papstes, das
begründete Anerkennung findet, solchen Befürchtungen Hohn spricht. Es ist ein pastorales Schreiben, kein offizielles – das zeigt sich schon daran, daß der Originaltext, der verbindlich wäre, vom Vatikan nicht einmal ins Netz gestellt wurde; es finden sich nur etliche Übersetzungen. Daß es kein kirchenrechtlicher Erlaß ist, schreibt der Papst selber (Art. 300); daß es auch keinen lehramtlichen Charakter hat, hat Raymond Leo Kardinal Burke
(Amoris laetitia non è magistero, lo dice papa Francesco) aufgezeigt.
Nur, leider, es gibt sehr deutsche Sorgen. Nein, nicht im Sinne der mythischen Deutschen Angst, sondern Sorgen aus der Erfahrung mit einigen Winkeln der Kirche in Deutschland.
Wenn jemand, der geschieden ist, eine neue Verbindung eingehen will:
«Wir machen da einen Gottesdienst, bei dem von den Gästen niemand merkt, daß es keine richtige Trauung ist» – das ist kein Phantasma, sondern tatsächliches Verfahren eines Priesters in diesem Land; und das ist schwerlich ein Einzelfall. Und angesichts solch einer Denkweise ist das Unbehagen an einer kleinen Fußnote (351) in dem umfangreichen Schreiben des Papstes sehr verständlich:
„In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb »erinnere ich [die Priester]
daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn« (Apostolisches Schreiben
Evangelii gaudium [14. November 2013], 44: AAS 105 [2013], S. 1038).
Gleichermaßen betone ich, dass die Eucharistie »nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwache« ist (ebd., 47: AAS 105 [2013], S. 1039).
“
Und Unbehagen bereitet es hierzulande auch, jenen
Mißverständnis begünstigenden Artikel 84 der
Relatio finalis der Bischofssynode vom Papst zitiert zu finden (Art. 299):
„Ich nehme die Bedenken vieler Synodenväter auf, die darauf hinweisen wollten, dass ...“ – während Papst Johannes Paul II. in
Familiaris Consortio (Art. 84) Geschiedenen gegenüber, die eine neue Verbindung eingegangen sind, eine freundlich einladende Haltung zeigte, um ihnen den Weg zur Umkehr zu erleichtern, scheinen in dem Artikel der Synode, wie bereits dargelegt, Möglichkeiten in den Blick genommen zu werden, die Abwendung vom Gebot des Evangeliums und damit von der Kirche zu übertünchen.
Solche Deutungen mögen dem Papst in Rom sehr ferne liegen – wenn er den
Katechismus der Katholischen Kirche zitiert (Art. 302): „»Die Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie können durch Unkenntnis ... vermindert, ja sogar aufgehoben sein« (Nr. 1735)“, so schwingt darin die selbstverständliche Verpflichtung des beichtehörenden Priesters mit, dieser Unkenntnis ein Ende zu setzen.
In Deutschland aber sind diese Deutungen sehr gegenwärtig.
„Das Wichtigste am ganzen Papier ist, dass die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Handeln der Gläubigen in Fragen der Ehe, Partnerschaft und Sexualität und der kirchlichen Lehrverkündigung durch diesen Text abgemildert und verändert wird“, zitiert
dpa den Präsidenten des ZdK, Thomas Sternberg. Demnach wünscht er offenkundig eine Anpassung der Lehrverkündigung an das
„Handeln der Gläubigen“ – menschliches Handeln abrogierte demnach Gottes Gebot. „Auch Partnerschaften
[so fährt dpa
in indirekter Rede fort], die nach zerbrochenen Ehen entstanden sind, sei der Weg in die volle Kirchengemeinschaft demnach nicht verschlossen.“
Oft habe ich mit Menschen zu arbeiten, die geschieden in einer neuen Verbindung leben, darunter auch gläubige Christen.
Noch einmal sei
wiederholt:
jede «wirkliche Möglichkeit ..., Menschen, die sich nach einer Ehescheidung in eine neue Lebensgemeinschaft geflüchtet haben, einen Weg – welchen auch immer – zu eröffnen, vor dem Richterstuhl Christi zu bestehen», wäre willkommen.
Wenn aber „Nächstenliebe“ oder „Barmherzigkeit“ für manche wichtigen Personen in der Kirche in Deutschland heißt, den Menschen zu ermöglichen, mit den Sakramenten der Kirche versehen den Weg zur Hölle zu finden, so kann das doch schwerlich die Sicht des Papstes sein.