Samstag, 28. Dezember 2024

Kirchliche Feiertage

Von der orthodoxen Kirche kenne ich es, daß an jedem höheren Feiertag, auch wenn es kein staatlicher Feiertag ist (wie es dort ja meistens der Fall ist), die Göttliche Liturgie gefeiert wird (lang!) und am Vorabend die Nachtwache (noch länger!). Priester und Sänger (wenn auch deutlich weniger als an Sonntagen) sind immer vorhanden – obwohl orthodoxe Priester hierzulande meistens noch einem profanen Beruf nachgehen müssen.
Das Fest des heiligen Apostels und Evangelisten Johannes hat den gleichen liturgischen Rang wie das des heiligen Stephanus. Aber während in unserem Großstädtchen beim Fest des heiligen Stephanus Messen in ähnlicher Zahl wie an Sonntagen gefeiert wurden, herrschte an dem des heiligen Johannes Werktagsordnung: in der Propstei gar keine Messe, in der Kirche in unserem Gründerzeitviertel in der kleinen Seitenkapelle eine Messe mit minimaler Festlichkeit.
Der Priestermangel schlägt bei uns noch nicht allzusehr durch, daran kann es nicht liegen. Und wahrscheinlich wären auch Organist, Kantor und Ministranten zu haben gewesen.
Warum also wird hier uns dieses hohe Fest vorenthalten?

Freitag, 27. Dezember 2024

Die Menschwerdung des Herrn

Der Weihnachtstag selbst, der dies sanctus, galt ganz der Freude über die Menschwerdung des Herrn. Nun, unter der Oktav, ist auch Gelegenheit, sich zu erinnern, was „Menschwerdung“ eigentlich bedeutet, die philosophischen Grundlagen in den Blick zu nehmen.
Zunächst der Mensch:
Der Mensch ist zusammengesetzt aus vernünftiger Seele und Leib. Die Seele ist die Form des Leibes, durch sie wird die Materie zum Leib geformt (Conc. Vienn., Constit. Fidei Catholicæ, D 481 / DS 902).
Dies ist eine Lehre, die in der Katechese kaum erwähnt wird, da es für den, der der aristotelischen Philosophie nicht kundig ist, nicht verstanden werden kann. Dennoch hat das Konzil sie aus gutem Grund zum Dogma der Kirche erhoben.
Eine gute Einführung ist: S. Thomas Aqu.: De ente et essentia.
Darum ist ein Körper ohne Seele – wenn der Mensch gestorben ist – kein menschlicher Leib, sondern nur ein Leichnam; er hat zwar noch die Anatomie eines Menschen, aber es finden in ihm keine Lebensprozesse mehr statt. Darum ist ein Embryo, auch wenn er noch nicht die Anatomie eines Menschen zeigt, doch schon ein Mensch; in ihm finden die Lebensprozesse statt, die ihn zum Kind und dann zum erwachsenen Menschen machen.
«Anima rationalis – vernünftige Seele» hieß es – ist der Embryo schon vernünftig? Jedenfalls ist die Vernunft in ihm schon als Potenz angelegt. Was aber ein Embryo schon geistig leistet, um sich mehr und mehr auf die Begegnung mit der äußeren Welt vorzubereiten, läßt sich von außen kaum sagen; die Beobachtung mit Mitteln der modernen Technik zeigt aber, daß er schon intensiv lernt.
«Sicut anima rationalis et caro unus est homo: ita Deus et homo unus est Christus – so wie vernünftige Seele und Fleisch ein Mensch sind, so sind Gott und Mensch der eine Christus», so lehrt das Symbolum Quicumque.
So also, wie die Seele die Form des Leibes und überhaupt des Menschen ist, so ist die Gottheit Christi die Form Jesu Christi, der aus Gottheit und Menschheit zusammengesetzt ist. Das ist nicht etwa so zu verstehen, daß gleichsam der Mensch Jesus die Materie wäre, aus der durch die Gottheit als Form der gottmenschliche Christus würde, denn ein Mensch ist schon nicht mehr nur Materie, ist schon geformt. Vielmehr wird durch das göttliche Wesen in einem Schöpfungsakt der Mensch Jesus Christus geschaffen, Leib und Seele «simul», zugleich, «unitas», vereint; die Gottheit Christi ist die Form seiner gottmenschlichen Person (Constit. Fidei Catholicæ, D 480 / DS 900). Der Mensch Jesus ist also von seiner Erschaffung an untrennbar mit der Gottheit Christi zu der einen Person Jesus Christus vereinigt.
«Unus omnino non confusione substantiae, sed unitate personae – einer ganz und gar, nicht durch die Vermischung der Substanz, sondern durch die Einheit der Person» (Symbolum Quicumque). In dieser Person Christi bestehen die Enérgiai, Actus, Seinsvollzüge beider Substanzen unvermischt fort, Er ist zugleich im vollen Sinne Gott und Mensch, Mensch mit Leib und vernünftiger Seele. Darum gibt es in Ihm «dýo physikàs theléseis – duas naturales voluntates – zwei Willen der [jeweiligen] Natur» (Conc. Constantinopol. III, Sessio 18, D 291 / DS 556) – den göttlichen Willen, natürlich eins mit dem des Vaters, und den menschlichen, dem Willen des Vaters gehorsam (vgl. Phil. 2, 8).

Montag, 23. Dezember 2024

Macht hoch die Tür

Als in den frühen siebziger Jahren das (damals) neue Gotteslob zusammengestellt wurde, hat, so war zu hören, die zuständige Kommission das Lied „Macht hoch die Tür“ nur ungern, nur weil es im Volk so beliebt war, aufgenommen.
Mein Beichtvater hat es mir nun als Buße aufgegeben. Als ich es langsam, sehr bewußt, gebetet habe, als ich so über die (durchaus liebevolle) Gewohnheit, mit der man es gerne singt, hinausgegangen bin, wurde ich gewahr, wieviel tiefe Bedeutung dieses Lied in sich trägt.

Samstag, 14. Dezember 2024

Kleines Propädeutikum zu den liturgischen Gesten

Die Liturgie lebt von den Gesten. An ihnen zeigt sich, daß die, die mitfeiern, wirklich die Liturgie, die Begegnung mit dem Herrn erleben.
Darum hat auch die Konstitution des II. Vaticanum über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium angeordnet (31.), daß bei der Überprüfung der liturgischen Bücher sorgfältig darauf zu achten sei, daß die Rubriken auch die Anteile der Gläubigen, also auch deren Gesten, vorsehen – in den älteren liturgischen Büchern waren nur die Anteile des Zelebranten, der Ministranten und der Chorassistenz dargestellt worden.
Die Gesten des Volks einzubeziehen ist jedoch in den neuen liturgischen Büchern nur ganz wenig geschehen. Allerdings ordnet Sacrosanctum concilium (28.) auch an, daß in den liturgischen Feiern jeder das tun soll, was ihm der Natur der Sache nach und den liturgischen Normen nach zukommt. Liturgische Normen sind natürlich nicht nur die geschriebenen Normen, sondern auch die, die sich im Laufe der Zeit aus „der Natur der Sache“, aus dem Erleben der Liturgie heraus ausgebildet haben und im Klerus und im Volk, oft stillschweigend, überliefert worden sind.
Alle liturgischen Gesten sind Ausdruck, Ausdruck der Ergriffenheit, der Verehrung – Verneigungen, Kniebeugen –, der demütigen Verbundenheit – Kreuzzeichen. Sie müssen in ihrer Ausführung dieser Haltung, diesem Erleben entsprechen.
Der Altar ist es, auf dem wieder und wieder das Opfer des Herrn Wirklichkeit wird; darum kommt ihm höchste Verehrung zu. Gute Tradition ist es, daß der Priester im Ornat jedesmal (jedesmal!), wenn er an ihn tritt oder an ihm vorbeigeht, sich verneigt. Die Grundordnung des Römischen Messbuchs (122.) hat diese Beschränkung auf eine tiefe Verneigung ausgedehnt auf all die, die mit ihm an den Altar treten; jeder andere (also auch ein Priester, der nicht zelebriert) macht statt dessen eine Kniebeuge. Ähnlich ist es vor einem Kreuz, das Symbol jenes Opfers ist.
Es ist zumindest eine tiefe Verneigung, wie die Grundordnung ausdrücklich anordnet, nicht nur ein Kopfnicken, dabei still stehend, nicht etwa nur im Vorübergehen – eben ein Ausdruck der Ergriffenheit, der Verehrung. Was aber, wenn der Priester, der Ministrant, der Lektor oder der schlichte Gläubige im Kirchenschiff diese Ergriffenheit, diese Verehrung nicht spürt? Er halte inne, vergegenwärtige sich, vor welchem Mysterium tremendum (so Rudolf Otto) er steht, und vollziehe dann diese Geste mit besonderer Achtsamkeit – die achtsam ausgeführte Geste kann etwas an Empfinden mit sich ziehen.
Dem Altar gilt (zusammen mit dem Tabernakel, solange nicht das Allerheiligste anderswo ist, etwa bei der Kommunionausteilung oder einer Prozession) die größte Verehrung; er steht im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Tritt jemand während des Gottesdienstes oder auch davor oder danach zu irgendeinem Dienst aus dem Kirchenschiff in den Altarraum, so wird er zuerst dem Altar seine Verehrung erweisen, bevor er dann an eine andere Stelle geht, ans Lesepult etwa oder an den Kredenztisch. Zurückgehen mag er danach auf direktem Weg.
Das priesterliche Amt bezieht sein Wesen aus dem Opfer des Herrn, dessen Ort der Altar ist. Darum achte der Priester bei allen liturgischen Funktionen, die am Altar stattfinden, daß er nahe am Altar steht, sich so ihm eng verbunden erweist; ein, zwei Schritte wegzutreten und ungerührt einfach mit der Liturgie fortzufahren oder gleich, nach den Vermeldungen, vom Lesepult aus den Segen zu geben macht diese Verbindung unklar. Und natürlich blickt der Priester, wenn er sich nicht gerade, etwa bei einem liturgischen Gruß, der Gemeinde zuwendet, auf den Altar und auf die Opfergaben, wenn sie bereits darauf liegen. Er kann nicht, um ein Gemeindelied mitzusingen, zum Sanctus etwa, das Gotteslob über den Altar halten, um dahinein zu schauen. Das klingt nach einer Quisquilie; doch man sieht es, daß da etwas schräg ist, daß es nicht zusammenpaßt.
„Andacht“ heißt es; alle liturgischen Gesten müssen im Gedenken an das, was da geschieht, an den, um den es in der Liturgie geht, ausgeführt werden. Nur andeutungsweise oder hastig ausgeführte Gesten sind verheerend.
Aber auch das Gegenteil kann der Liturgie abträglich sein. Einmal habe ich eine junge Frau beobachtet, die die ganze Zeit des Gottesdienstes hindurch ständig wechselnde Gebetsgesten vollzieht: sie faltet die Hände, erhebt sie in verschiedener Weise – durchaus nicht ausladend oder ostentativ –, bekreuzigt sich, verneigt sich. Das mag exzentrisch erscheinen oder auch zwanghaft, aber es ist echt, Ausdruck ihrer persönlichen Frömmigkeit. Wenn aber ein Priester am Altar liturgische Gesten, Kreuzzeichen, Verneigungen, das Erheben oder Ausbreiten der Hände, in ganz betont ausgeprägter Form, weit ausladend, ausführt, so kann es sein, daß es geradezu demonstrativ erscheint. Und so mag es auch gemeint seien. Das zeigt, daß er dabei nicht innerlich dem Herrn zugewandt ist, sondern beim Volk ist, ihm etwas demonstrieren will. Und so ist das, was er demonstriert, eben nicht die Hinwendung zum Herrn, sondern nur sein eigener Wunsch, Vorbild oder Lehrmeister zu sein.

Freitag, 13. Dezember 2024

Monstranz und Ziborium

In unserem Diasporagroßstädtchen ist erfreulich regelmäßig Gelegenheit zur eucharistischen Anbetung. Es sind Menschen da, die anbeten wollen; und es findet sich auch immer ein Priester, der die Monstranz ausstellt und später wieder zurückstellt, die Kustodie mit der Hostie ins Tabernakel zurückstellt.
Diese Aufgabe kommt allein einem Priester zu, kein Zweifel.
Dann aber, in der Messe, ist zu sehen, wie ein Kommunionhelfer das Ziborium aus dem Tabernakel holt und nach der Kommunion wieder zurückstellt.
Wenn nur ein Priester die Hostie in die Monstranz einsetzen und wieder herausnehmen kann, nur er die Kustodie ins Tabernakel stellen kann: wie kann bei der Kommunion ein Laie das Ziborium holen und zurückstellen?
Immerhin: es ist wohltuend, zu sehen, wie, während der Kommunionhelfer das Ziborium zurückstellt, Priester und Ministranten, zum Tabernakel gewandt, niederknien.
Aber selbst das ist nicht selbstverständlich: es ist nicht selten auch zu beobachten, wie, während der Kommunionhelfer das Ziborium zurückstellt, der Priester, den Rücken zum Tabernakel und zum Allerheiligsten gewandt, einfach mit der Purifikation der heiligen Gefäße weitermacht.
Natürlich kann man auch fragen, wenn nur ein Priester die Monstranz mit dem Leib des Herrn berühren darf, wieso ein Laie den Leib des Herrn austeilen darf. Doch nach der Grundordnung des Römischen Messbuchs (2007) «kann der Priester außerordentliche Kommunionhelfer zu seiner Unterstützung hinzuziehen», wenn Priester «nicht zur Verfügung stehen und die Zahl der Kommunikanten sehr groß ist.» Die Instructio Redemptionis sacramentum Johannes Pauls II. (2004) faßt es klarer: «Tantum ubi urgeat necessitas – nur, wo eine Notlage drängt» (88), «Quod tamen ita intendatur, ut causa omnino insufficiens erit prolongatio brevis – Das ist trotzdem so zu verstehen werden, daß eine kurze Verlängerung [der Feier der Messe] ein völlig unzureichender Grund ist» (158) – also erst recht die normale allsonntägliche Dauer der Messe mit regulärer Kommunionspendung kein Grund sein kann.
Allerdings bleibt auch das hinter der theologisch gegebenen Norm zurück, wie der heilige Thomas sie darlegt (S. Th. III, q. 82, art. 3).
Siehe auch: W. H. Weyandt: Miscellanea zur Heiligen Eucharistie. E&Ewald 28 (2023), S. 6-18