Der Weihnachtstag selbst, der dies sanctus, galt ganz der Freude über die Menschwerdung des Herrn. Nun, unter der Oktav, ist auch Gelegenheit, sich zu erinnern, was „Menschwerdung“ eigentlich bedeutet, die philosophischen Grundlagen in den Blick zu nehmen.
Zunächst der Mensch:
Der Mensch ist zusammengesetzt aus vernünftiger Seele und Leib. Die Seele ist die Form des Leibes, durch sie wird die Materie zum Leib geformt (Conc. Vienn., Constit. Fidei Catholicæ, D 481 / DS 902).
Dies ist eine Lehre, die in der Katechese kaum erwähnt wird, da es für den, der der aristotelischen Philosophie nicht kundig ist, nicht verstanden werden kann. Dennoch hat das Konzil sie aus gutem Grund zum Dogma der Kirche erhoben.
Eine gute Einführung ist: S. Thomas Aqu.: De ente et essentia.
Darum ist ein Körper ohne Seele – wenn der Mensch gestorben ist – kein menschlicher Leib, sondern nur ein Leichnam; er hat zwar noch die Anatomie eines Menschen, aber es finden in ihm keine Lebensprozesse mehr statt. Darum ist ein Embryo, auch wenn er noch nicht die Anatomie eines Menschen zeigt, doch schon ein Mensch; in ihm finden die Lebensprozesse statt, die ihn zum Kind und dann zum erwachsenen Menschen machen.
«Anima rationalis – vernünftige Seele» hieß es – ist der Embryo schon vernünftig? Jedenfalls ist die Vernunft in ihm schon als Potenz angelegt. Was aber ein Embryo schon geistig leistet, um sich mehr und mehr auf die Begegnung mit der äußeren Welt vorzubereiten, läßt sich von außen kaum sagen; die Beobachtung mit Mitteln der modernen Technik zeigt aber, daß er schon intensiv lernt.
«Sicut anima rationalis et caro unus est homo: ita Deus et homo unus est Christus – so wie vernünftige Seele und Fleisch ein Mensch sind, so sind Gott und Mensch der eine Christus», so lehrt das Symbolum Quicumque.
So also, wie die Seele die Form des Leibes und überhaupt des Menschen ist, so ist die Gottheit Christi die Form Jesu Christi, der aus Gottheit und Menschheit zusammengesetzt ist. Das ist nicht etwa so zu verstehen, daß gleichsam der Mensch Jesus die Materie wäre, aus der durch die Gottheit als Form der gottmenschliche Christus würde, denn ein Mensch ist schon nicht mehr nur Materie, ist schon geformt. Vielmehr wird durch das göttliche Wesen in einem Schöpfungsakt der Mensch Jesus Christus geschaffen, Leib und Seele «simul», zugleich, «unitas», vereint; die Gottheit Christi ist die Form seiner gottmenschlichen Person (Constit. Fidei Catholicæ, D 480 / DS 900). Der Mensch Jesus ist also von seiner Erschaffung an untrennbar mit der Gottheit Christi zu der einen Person Jesus Christus vereinigt.
«Unus omnino non confusione substantiae, sed unitate personae – einer ganz und gar, nicht durch die Vermischung der Substanz, sondern durch die Einheit der Person» (Symbolum Quicumque). In dieser Person Christi bestehen die Enérgiai, Actus, Seinsvollzüge beider Substanzen unvermischt fort, Er ist zugleich im vollen Sinne Gott und Mensch, Mensch mit Leib und vernünftiger Seele. Darum gibt es in Ihm «dýo physikàs theléseis – duas naturales voluntates – zwei Willen der [jeweiligen] Natur» (Conc. Constantinopol. III, Sessio 18, D 291 / DS 556) – den göttlichen Willen, natürlich eins mit dem des Vaters, und den menschlichen, dem Willen des Vaters gehorsam (vgl. Phil. 2, 8).
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