Samstag, 26. Februar 2022

Erhörtes Gebet

Heute kann die Priesterbruderschaft St. Petrus nach einer langen Zeit der Verwirrung die niederen Weihen spenden.

Freitag, 25. Februar 2022

Sexueller Mißbrauch:
Richtige Einsichten und verdrehte Folgerungen

«Der emeritierte Regensburger Dogmatiker Wolfgang Beinert sieht in der nachkonziliaren Berufungspraxis von Bischöfen durch die Päpste Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. eine systemische Ursache für Missbrauch in der Kirche», so war jüngst bei katholisch.de zu lesen (Beinert: Pontifikat Johannes Pauls II. hat Missbrauch begünstigt).
Ein hartes Wort; aber:
«Seit den 1970ern dringt kaum etwas nach außen», setzt die Süddeutsche als Untertitel in einen durchaus nicht kirchenfreundlichen Artikel (Nicolas Richter und Ronen Steinke: Missbrauch in der katholischen Kirche: Warum nur wenige Täter bestraft werden. 22. Mai 2019). In diesem Artikel steht: «Wenn man die Akten aus den 1950er- und 1960er-Jahren durchblättert, fällt auf, dass damals mehr Opfer bereit waren zu reden, Jugendliche traten als Zeugen auf, Kirchenleute wurden zu Haftstrafen verurteilt. Später ließ die Anzeigebereitschaft nach, von den 1970er-Jahren an drang kaum mehr etwas nach außen, es sei „offenbar so ein Deckel draufgegangen“, sagt [Oberstaatsanwältin] Ines Karl.»
Gratias Felicitati
An jenem Vorwurf kann demnach etwas dran sein: zumindest für die Ernennungen unter Paul VI. scheint er durchaus begründet*:
Die Gründe benannte schon Kardinal Ratzinger: «Dans les premières années après Vatican II le candidat à l’épiscopat semblait être un prêtre qui devait avant tout être ‘ouvert au monde’ : dans tous les cas, ce prérequis était mis à la première place – In den ersten Jahren nach dem II. Vatikanischen Konzil schien der Kandidat für das Bischofsamt ein Priester zu sein, der vor allem ‚weltoffen‘ sein musste: diese Voraussetzung wurde an die erste Stelle gesetzt» (Joseph Ratzinger: Entretiens sur la foi, Paris 2005; zitiert von Abbé François-Marie Chautard (Paul VI et l’auto-démolition de la Tradition), der darin auch das Motiv für Pauls VI. Rücktrittsforderung an Bischöfe von 75 Jahren sieht).
Später bestätigte der ehemalige Papst diese Sicht noch einmal: «Da nach dem II. Vaticanum auch die Kriterien für Auswahl und Ernennung der Bischöfe geändert worden waren, war auch das Verhältnis der Bischöfe zu ihren Seminaren sehr unterschiedlich. Als Kriterium für die Ernennung neuer Bischöfe wurde nun vor allen Dingen ihre „Konziliarität“ angesehen, worunter freilich sehr Verschiedenes verstanden werden konnte. In der Tat wurde konziliare Gesinnung in vielen Teilen der Kirche als eine der bisherigen Tradition gegenüber kritische oder negative Haltung verstanden, die nun durch ein neues, radikal offenes Verhältnis zur Welt ersetzt werden sollte. ... Es gab – nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika – einzelne Bischöfe, die die katholische Tradition insgesamt ablehnten und in ihren Bistümern eine Art von neuer moderner „Katholizität“ auszubilden trachteten.» (Die Kirche und der Skandal des sexuellen Mißbrauchs. II. Erste kirchliche Reaktionen, 1.)
Doch dann verkehrt der anfangs zitierte Dogmatiker diese Einsicht in ihr Gegenteil: «Mit dem von dieser Bischofsgeneration geforderten unbedingten Papstgehorsam „wandte sich die Kirche neuerlich jenem rückschrittlichen Antimodernismus zu, der sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt hatte“», der den Mißbrauch begünstigt hätte – als seien nicht „Konziliarität“, „Weltoffenheit“ die neuen Kriterien gewesen, sondern Antimodernismus. Der Trick des Dogmatikers: er setzt «selbstbewusstes Agieren» mit Modernismus in eins.

Dieser verdrehte Gedankengang hat Anklang gefunden auch bei einem hochrangigen deutschen Kirchenmann: Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz hatte an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einen kritischen Brief zum Synodalen Weg geschrieben; diesen Brief nun kritisiert seinerseits der Essener Generalvikar Pfeffer auf Facebook; katholisch.de hat dieses Post veröffentlicht (Pfeffer über Brief polnischer Bischöfe: Hochklerikaler Antimodernismus).
Was einen deutschen Generalvikar sich berechtigt fühlen läßt, den Brief des Vorsitzenden der Bischofskonferenz eines anderen Landes derart herunterzumachen, ist einfach zu erraten: es ist der tiefverankerte deutsche Antipolonismus. Dankenswerterweise bekommt er Widerspruch von einem deutschen Bischof: Bischof Wolfgang Ipolt von Görlitz (Ipolt: Sollten beim Synodalen Weg auf Stimme aus der Weltkirche hören), leider ein wenig halbherzig: «Dass wir [die deutsche und die polnische Kirche] ganz sicher in mancher Hinsicht verschiedene Zugänge zum Glauben und zur Kirche haben, das darf unseren guten Beziehungen keinen Abbruch tun» – daß der Synodale Weg (s.u.) den deutschen Zugang ein wenig zugeschüttet hat, bleibt hinzuzufügen.

*: Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben sich wohl bemüht; doch nicht selten mangelte es an geeigneten Kandidaten, und auch die Menschenkenntnis dieser beiden Päpsten steht nicht außer Frage.

Donnerstag, 17. Februar 2022

Prüfsteine für die Beschlüsse des „Synodalen Wegs“

Zu Einzelheiten der Beschlüsse des „Synodalen Wegs“ hat es bereits viele Stellungnahmen gegeben; was darüber hinaus sinnvollerweise zu tun bleibt, ist, die grundsätzlichen Kriterien anzugeben, an denen diese Beschlüsse zu messen sind.

I. Einige der Beschlüsse beziehen sich auf die Lehre der Kirche. Nach welchen Kriterien der Lehre der Kirche etwas hinzugefügt werden kann, zeigt am klarsten das Commonitorium des heiligen Vinzenz von Lérins, das das katholische (und orthodoxe) Verständnis von der Lehre der Kirche in einer durch alle Zeiten gültigen Weise darlegt (und das auch schon vom Papst Franziskus I. angeführt wurde).
Diesem Werk entstammt die berühmte Definition des Begriffs „katholisch“ (Cap. II./ 3): «In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est ut id teneamus quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est; hoc est etenim vere proprieque catholicum – In der katholischen Kirche selbst ist große Sorge dafür zu tragen, daß wir das festhalten, was überall, was immer, was von allen geglaubt worden ist; das ist nämlich wahrhaft und eigentlich katholisch.»
Dort ist aus einem Brief des heiligen Papstes Stephanus I. zitiert, den er an die Kirche in Afrika geschickt hat: «Nihil novandum, nisi quod traditum est – nichts Neues ist einzuführen außer dem, was überliefert ist.» Der heilige Vinzenz selbst erläutert das: «.. nosque religionem non qua vellemus ducere, sed potius qua illa duceret sequi oportere – (und) daß es nötig ist, daß wir die Religion nicht den Weg führen, den wir wollen, sondern vielmehr wir dem Weg folgen, den sie uns führt.» (Cap. VI./ 9)
An anderer Stelle (Cap. XXIII./ 28) fragt der heilige Vinzenz, ob es dann in der Kirche keinen Fortschritt der Religion geben werde: «Nullusne ergo in ecclesia Christi profectus habebitur religionis?» Daß es solchen Fortschritt geben werde, bejaht er entschieden, «sed ita tamen, ut vere profectus sit ille fidei, non permutatio, siquidem ad profectum pertinet ut in semetipsum unaquaeque res amplificetur, ad permutationem vero ut aliquid ex alio in aliud transvertatur – aber doch so, daß jener wahrhaft ein Fortschritt des Glaubens sei, keine Veränderung, da ja zum Fortschritt gehört, daß jedwede Sache in sich selbst ausgeweitet wird, zur Veränderung aber, daß etwas aus einem in anderes umgewandelt wird.»
Einige Abschnitte weiter (32) schreibt er: «Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit ... non amittit sua, non usurpat aliena; sed omni industria hoc unum studet, ut vetera fideliter sapienterque tractando si qua illa sunt antiquitus informata et incohata, accuret et poliat, si qua jam expressa et enucleata, consolidet et firmet, si qua jam confirmata et definita, custodiat – Christi Kirche aber, als eifrige und sorgsame Wächterin der ihr anvertrauten Lehren, verändert an ihnen nie etwas, vermindert nichts, fügt nichts hinzu ... sie verliert nicht das Ihre, eignet sich nichts Fremdes an, sondern bemüht sich mit allem Fleiß um dieses eine derart, daß sie, indem sie das Alte treu und weise behandelt, wenn etwas von alters her vorgebildet und begonnen ist, es genauer faßt und glättet, wenn etwas schon formuliert und erläutert ist, es festigt und bekräftigt, wenn etwas schon festgelegt und definiert ist, es hütet.»
Dies sind die Regeln, an denen alle Forderungen nach Neuem in der Lehre der Kirche zu messen sind.

II. Anderer Beschlüsse betreffen das liturgische Leben der Kirche, ihre Sakramentalien (wo es um Sakramente geht, gilt dieser Artikel II. und mehr noch der Artikel I.).
Sinn allen kirchlichen Handelns, aller Liturgie, aller Segnungen ist es, den Herrn zu verehren und Menschen zum Heil zu führen. Darum ist jede Forderung dieser Art, bei der es nicht um die Verehrung des Herrn geht, daran zu messen, ob es ihr Sinn, ihr Ziel ist, die Menschen, denen hier das liturgische Handeln der Kirche gewidmet ist, von weltlichen Verstrickungen befreit zum Heil zu führen.

Alle Beschlüsse, die diesen Ansprüchen genügen, dürfen der Kirche anvertraut werden. Solche aber, die mehr weltlichen Normen oder den Ansprüchen der Gesellschaft entspringen, können nicht vor der Kirche Christi bestehen.
Eigentlich ist all dies für jeden Katholiken selbstverständlich; doch wenn ich Beschlüsse des „Synodalen Wegs“ lese, sehe ich dennoch Grund, darauf hinzuweisen.

Mittwoch, 2. Februar 2022

Nachbemerkungen zur Münchener Mißbrauchsstudie

Einige Monate nach der französischen Studie nun die Studie über sexuelle Übergriffe durch Priester in der Erzdiözese München. Mittlerweile ist die Sicht etwas klarer: es hat schlimmste Übergriffe in beträchtlicher Zahl gegeben.
Daß diese Studie einen deutlich antikirchlichen Einschlag hat, wie im Blog Invenimus Messiam aufgezeigt wurde, ändert nichts an der Richtigkeit dieser Falldarstellungen.
Was nun ist der Kirche vorzuwerfen?
Der Kirche – das heißt natürlich nicht: der göttlichen Institution; wohl aber: deren Amtsträgern, insbesondere den Ordinariaten und den Bischöfen. Was man der Kirche nicht vorwerfen kann, ist, daß es in ihr Priester gegeben hat, die pädophile Neigungen hatten und diese in verbrecherischer Weise ausgelebt haben – wo sich Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen anbietet, da sammeln sich Pädophile, sei es in Internaten, in Sportvereinen, in Freizeiteinrichtungen oder eben in der Kirche. Was ihnen vorzuwerfen ist, das ist, wie zögerlich gegen sie eingeschritten wurde.
Im Blog Nolite Timere werden die Fälle ausgewertet, die in der Studie dargestellt wurden.
Was man zumindest den Erzbischöfen Kardinal Faulhaber und Kardinal Wendel und ebenso Kardinal Ratzinger nicht vorwerfen kann, ist, daß sie diese Übergriffe toleriert oder gar gedeckt hätte. Wohl aber steht der Vorwurf gegen alle Münchener Erzbischöfe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, daß sie mit den Tätern zu viel Geduld hatten, zu viel Vertrauen in deren Bereitschaft und Fähigkeit gesetzt haben, von ihrem Treiben abzulassen. Wie verwerflich solche Taten sind, scheint dabei etwas aus dem Blick geraten gewesen zu sein. Die Morallehre der Kirche hat es immer ausgeschlossen, solche Taten zu verharmlosen. In der Kirche der Väterzeit hätte solch ein Täter eine mehrjährige Kirchenbuße auf sich nehmen müssen – mit solch einer Regelung wäre auch heute die Kirche besser gefahren.
Dahinter zeigen sich zwei Probleme in der Kirche dieser Zeit.
Das eine ist ein verzerrtes Verständnis der kirchlichen Sexualmoral. Diese Sexualmoral ist eigentlich sehr streng; aber eben deshalb hat man sich wohl ein wenig daran gewöhnt, daß gegen sie sowieso verstoßen wird. Dabei scheint der eine, eigentlich der sekundäre Aspekt der Sexualmoral, der der continentia, der Selbstbeherrschung, gegenüber dem des Schutzes, ein wenig in den Hintergrund getreten zu sein. In ihrem Kern aber ist diese Sexualmoral Schutz: sie schützt den anderen, auf den sich sexuelles Begehren richtet, seine körperliche und seelische Gesundheit, seine Würde; sie schützt darüber hinaus seine eigene Familie und schließlich seine eigene Würde. Wenn aber das Hauptaugenmerk sich nur auf die Selbstbeherrschung richtet, so wird nur die Sünde gesehen, weniger aber das Opfer des Begehrens. Sünden aber vergibt die Kirche einfach, wenn der Schuldige Reue zeigt.
Das andere ist, daß man begonnen hat, in Pädophilie eine psychische Störung zu erkennen – an sich völlig zu Recht; aber dabei hat man auch begonnen, die persönliche Verantwortung aus dem Blick zu verlieren. Pädophilie ist zwar eine psychische Störung, aber pädophiles Handeln ist Handeln, für das der Täter nichtsdestoweniger Verantwortung trägt (freilich: je mehr es sich eingeschliffen hat, desto schwieriger wird die bewußte Steuerung). Dazu trat eine Therapiegläubigkeit, so, als sei Therapie ein Sakrament, das ex opere operato wirke. Doch eine Therapie ist natürlich nur wirksam, wenn der Betroffene sich ganz darauf einläßt – was nicht nur eine Frage des guten Willens ist –; und selbst dann ist der Erfolg nicht selbstverständlich. Und Psychotherapeuten wurde es auch damals schon bekannt, daß sexuelle Devianzen von ähnlicher Art sind wie Süchte, daß sie für Therapie besonders sperrig sind, nicht restlos zu verschwinden pflegen.
Der Bruch im Umgang mit sexuellen Übergriffen
Seit den sechziger Jahren aber scheint verantwortungslose Sorglosigkeit zugenommen zu haben. «Seit den 1970ern dringt kaum etwas nach außen», setzt die Süddeutsche als Untertitel in einen durchaus nicht kirchenfreundlichen Artikel (Nicolas Richter und Ronen Steinke: Missbrauch in der katholischen Kirche: Warum nur wenige Täter bestraft werden. 22. Mai 2019). In diesem Artikel steht: «Wenn man die Akten aus den 1950er- und 1960er-Jahren durchblättert, fällt auf, dass damals mehr Opfer bereit waren zu reden, Jugendliche traten als Zeugen auf, Kirchenleute wurden zu Haftstrafen verurteilt. Später ließ die Anzeigebereitschaft nach, von den 1970er-Jahren an drang kaum mehr etwas nach außen, es sei „offenbar so ein Deckel draufgegangen“, sagt [Oberstaatsanwältin] Ines Karl.»
Gratias Felicitati
Sexuelle Übergriffe und kirchliche Sexualmoral
Was der Kirche zugute zu halten ist, daß sie in der Lehre keine Konzessionen gegenüber der Pädosexualität gemacht hat, obwohl es in den siebziger und achtziger Jahren Druck in dieser Richtung gegeben hat (eine Studie, die die Partei der Grünen zur Aufarbeitung ihrer eigenen Vergangenheit in Auftrag gegeben hat, zeigt es auf). Doch Kardinal Wetter gibt zu, daß er «mit den Tätern nicht mit der gebotenen Strenge umgegangen» ist (dpa). Der Grund: daß «dies damals bei vielen in der Gesellschaft, nicht nur in der Kirche, so war», er sei eben ein «Kind meiner Zeit». Und man erinnert sich an einen Satz von Gilbert Keith Chesterton: «Die katholische Kirche ist die einzige Institution, die den Menschen vor der erniedrigenden Sklaverei bewahrt, ein Kind seiner Zeit zu sein.»
Letztlich also eine moderne Geringschätzung der katholischen Sexualmoral. Zu fürchten ist aber auch, daß mehr und mehr des Priestermangels wegen Ordinariate darauf verzichtet haben, schuldige Priester in die Wüste zu schicken, um sie nicht für die Seelsorge zu verlieren – so daß sie dadurch der Seelsorge um so schweren Schaden zugefügt haben.
Die französische Studie hatte ergeben, daß, je mehr die religiöse Praxis abgenommen hatte, desto mehr Ordinariate bereit waren, schuldige Priester durchzuschleppen (§0270). Das wichtigste, was die Kirche gegen sexuelle Übergriffe durch Priester und Ordensleute tun kann, ist also, die religiöse Praxis zu stärken; und das kann nur auf der Grundlage der Stärkung des klaren, nicht irgendwie abgeschwächten Glaubens geschehen.
Nun aber bietet der durch die Menge der offengelegten verbrecherischen Verstöße gegen die Sexualmoral der Kirche ausgelöste Eklat paradoxerweise die Gelegenheit, nun wieder eine Abkehr von der kirchlichen Lehre, eine Abschwächung ebendieser Sexualmoral zu fordern. Eine Initiative kirchlicher Mitarbeiter strebt eine feindliche Übernahme der Kirche an. Sonderbar: welchen Sinn sollte eine Kirche haben, die sich von den Geboten des Herrn entfernt? Selbstverständlich hat deren jeder das Recht, sein Heil anderswo zu suchen (die Unitarier sind da zu empfehlen: sie versorgen ihre Mitglieder mit den gewünschten Amtshandlungen, ohne irgend etwas an Glauben einzufordern); nur daß dort das Heil zu finden sei, das kann die Kirche freilich nicht versprechen.
All das wäre weniger beunruhigend, wenn Verlaß darauf wäre, daß zumindest Bischöfe und Priester fest zur Lehre der Kirche stehen. Doch was von Bischöfen in den Nachrichten zu lesen ist und was ich von Priestern vor Ort höre, bereitet große Sorge.
Kirchenaustritte
Viele Kirchenmitglieder treten nun einfach aus der Kirche aus. Dies ist nicht nur für die Finanzen der Kirche ein beträchtlicher Schade; es bedeutet auch, daß deren Kinder kaum noch für Kommunion- und Firmunterricht erreichbar sein werden (was freilich nicht bei jedem Kommunion-, bei jedem Firmunterricht ein Schaden ist). Doch daß die meisten von ihnen offenbar einfach die Kirche verlassen, sich nicht etwa der Piusbruderschaft oder einer Ostkirche anschließen, zeigt, daß für sie die Kirche nur noch ein Verein war, sie sich vom Glauben der Kirche, vom Glauben an den Herrn, der in dieser Kirche ungeachtet allen Versagens dieser Hierarchen lebendig ist (und der selber von einem seiner Apostel verraten wurde), schon längst entfernt haben.
Was heute nicht mehr zu erkennen ist,
ist, wie viel Mühe man sich mit seelsorgerischen Gesprächen mit den Tätern gegeben haben mag, wie sie ihre Verfehlungen bekannt (oder auch geleugnet) haben, gebeichtet haben mögen. Was man den Bischöfen und den anderen Verantwortlichen der älteren Zeit vorzuwerfen hat, ist im Kern falsches Vertrauen, das von ihnen den Tätern zuteil wurde. Bereitschaft zu vergeben, vertrauen: eigentlich gut christliche Haltungen, die aber pädophilen Mitbrüdern gegenüber sich verheerend auswirkten, ganz besonders für die Opfer, aber auch für die Täter, die so, entgegen allen Regeln der Pastoral (die nächste Gelegenheit zur Sünde meiden ...), wieder in Versuchung geführt wurden, der sie dann oft nicht widerstanden haben. Vom Suchtcharakter sexuell devianten Verhaltens ahnten die Verantwortlichen noch nichts.
Vergebungsbereitschaft ohne Ansehen der Schwere der Schuld und falsches Vertrauen: das ist das, was den Kardinälen Faulhaber, Wendel und Ratzinger vorgeworfen werden kann. Bemerkenswert dabei ist, daß Kardinal Ratzinger vor allem etwas vorgeworfen wird, was in der Sache keinen Vorwurf rechtfertigt: der „Fall H.“. Hier war dem Täter von der Erzdiözese München offenbar nur erlaubt worden, in der Erzdiözese sich einer Therapie zu unterziehen – in der Seelsorge dort eingesetzt wurde er erst viel später, als Kardinal Ratzinger längst in Rom war. Der Fehler, den Mons. Ratzinger nun aber gemacht hat, ist, daß er sagte, an einer Sitzung, an die er sich natürlich nach so langer Zeit nicht mehr erinnern konnte, nicht teilgenommen zu haben, was er dann widerlegt fand.
Doch derselbe Kardinal Ratzinger war es, der dann als einer der ersten verstanden hat, was not tut, der als Präfekt der Glaubenskongregation energische und wirksame Maßnahmen gegen sexuelle Übergriffe eingeführt hat: Joseph Ratzinger: Der Wegbereiter im Anti-Missbrauchskampf – zu einer Zeit, da jener Studie zufolge man sich von Seiten wie Pro Familia und Humanistischer Union noch sehr für Toleranz solchem Verhalten gegenüber stark machte.
Was zudem verhängnisvoll für die Kirche ist,
ist, daß dies in einer Zeit zu bewältigen ist, in der die, von denen man am ehesten erwarten kann, daß sie sich in ihren Reihen energisch sexuellen Übergriffen entgegenstellen, die Gemeinschaften, die den überlieferten Ordo ausüben, selber von Rom unter starken Druck gesetzt sind.
Was für die Kirche ansteht,
ist, die Institute zu stärken, denen nichts vorzuwerfen ist. Und der Seligsprechungsprozeß für Kardinal Ottaviani verdient es, in Gang gebracht zu werden.