Mittwoch, 18. September 2024

Das Leiden der Kirche an neuzeitlicher Theologie

Man stelle sich vor, jemand behauptete: „C. Julius Caesar war ein mäßig erfolgreicher römischer Politiker in den Wirren der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts (einer unter vielen), der dann wie so viele andere im Laufe der Bürgerkriege ermordet wurde. Doch als es dann C. Octavius gelang, die Herrschaft über das Römische Reich dauerhaft an sich zu ziehen, erklärte er Caesar, der im Unterschied zu ihm selbst aus einem der angesehensten Geschlechter Roms stammte, zu seinem Adoptivvater, sich selbst zu seinem Erben, nahm dessen Namen an (mit dem Beinamen Octavianus) und ließ ihn verherrlichen als großen Feldherrn und großen Herrscher über Rom, gütig („clementia Caesaris“) und reich an Verdiensten, dessen glorreiche Herrschaft durch den Mord an ihm unterbrochen worden sei und nun von ihm, Octavianus Augustus, vollendet werde.“
Es mag sein, daß diese These von dem einen oder anderen Feuilleton bejubelt würde, aber bei Altphilologen und Althistorikern würde sie keinen Augenblick ernstgenommen.
Doch in der Theologie tauchen vergleichbare Thesen auf. Jesus sei ein Wanderprediger gewesen (einer unter vielen); er „wollte keine Kirche gründen, schon gar nicht im Sinn der konstantinischen Wende. Er kannte seine späteren Hoheitstitel nicht [damit sind offenbar die in den Evangelien überlieferten „Titel“ wie Christus – Messias, Sohn Gottes, Heiliger Gottes, König von Israel gemeint] und suchte nicht seinen Tod, schon gar nicht einen Sühnetod, hätte auch von der Erbsünde nichts verstanden.“ All das sei ihm später erst von den Jüngern, den Aposteln zugeschrieben worden, besonders von Paulus, oder auch von einer nicht näher faßbaren Stimme der „Gemeinde“ („Gemeindebildung“).
Solche Thesen sind nicht nur von dem einen oder anderen Feuilleton bejubelt worden, sondern Konsens geworden in großen Bereichen der Theologie beider großen westlichen Konfessionen. Das Zitat in der Mitte stammt von einem katholischen Theologen, Hermann Häring („Hat die Institution Kirche im 21. Jahrhundert ausgedient?“).
Die Frage, wer größere Möglichkeiten gehabt hätte, eine solch unhistorische Sicht durchzusetzen, ist leicht zu beantworten: Augustus standen alle Machtmittel des Imperium zur Verfügung, und es mangelte zu seiner Zeit nicht an großen Dichtern und Geschichtsschreibern, die ihm ergeben waren. Die Urkirche hatte keine Machtmittel, konnte Dissidenten nicht kontrollieren; und antichristliche Polemik war im Römischen Reich noch über die Konstantinische Wende hinaus möglich.
Wer unbefangen die Evangelien liest, kann nur entweder Jesus absurde Größenphantasien zusprechen oder aber in Ihm einen einzigartigen Einbruch Gottes in diese Welt erkennen. Wenn aber jemand das letztere nicht glauben will, vorm ersteren aber zurückschreckt, sei es, weil er noch eine sentimentale Bindung ans Christentum hat, sei es, weil die Kirche gut dotierte Stellen zu vergeben hat oder zumindest die Missio canonica für solche erteilen muß, so kann er sich mit solchen Thesen durchzulavieren suchen. Dafür aber muß er sehr vieles von der biblischen Überlieferung „exegetisch entsorgen“, wie Klaus Berger es formulierte.
Doch wenn jemand keine solche Stelle innehat noch sie sucht: welchen Sinn sollte für ihn ein so entleerter Glaube haben? „Hat die Institution Kirche im 21. Jahrhundert ausgedient?“ Mit solcher Theologie hätte sie schon längst ausgedient.
Allerdings geht der oben angeführte Hermann Häring (aus dem Hause „Weltethos“, „Promotion und Habilitation wurden von Prof. Dr. Hans Küng begleitet“) noch weiter. Zuvor hatte er noch Alfred Loisys beliebten polemischen Spruch zitiert: „Jesus verkündete das Reich Gottes, doch gekommen ist die Kirche.“ Doch selber läßt er auch das Reich Gottes weg: „Durch sein Handeln und seine Zuwendung zu den Verlorenen ließ er vielmehr das durch und durch säkulare, weil human orientierte Reich der Gerechtigkeit beginnen.“

Samstag, 14. September 2024

Papst Franziskus Rede in Singapur

„Alle Religionen sind ein Weg, um zu Gott zu gelangen“, sagte Papst Franziskus in Singapur, „sie sind – ich mache einen Vergleich – wie verschiedene Sprachen, verschiedene Idiome, um dorthin zu gelangen.“
Dieser Vergleich sei einmal durchdacht.
Wenn jemand sagt: „Allà kaì eàn hemeîs è ángelos ex ouranoû euangelízetai hymîn par’ hò euangelisámetha hymîn, anáthema ésto“, wenn jemand anderes sagt: „Sed licet nos aut angelus de cælo evangelizet vobis præterquam quod evangelizavimus vobis, anathema sit“, wenn wieder jemand anders sagt: „Aber wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium verkündete außer dem Evangelium, was wir euch verkündet haben: er sei verflucht“, so sind das verschiedene Sprachen, verschiedene Idiome, doch kann das alles nebeneinander bestehen; im Kern ist das alles das Gleiche, führt zum selben Ziel.
Doch wenn jemand sagt: „Aber wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium verkündigte außer dem Evangelium, was wir euch verkündigt haben: er sei verflucht“, wenn jemand anderes aber sagt: „Mohammed ist der Gesandte Gottes“, so ist das durchaus nicht das Gleiche.
Was davon richtig ist, erschließt sich erst bei näherer Betrachtung; klar aber ist von vornherein (wenn man beachtet, daß Paulus mehr als ein halbes Jahrtausend älter ist als Mohammed), daß nicht beides richtig sein kann.
„Alle Religionen sind ein Weg, um zu Gott zu gelangen“? Das Christentum ist der von Gott gewiesene Weg, zu Ihm zu gelangen. Andere Religionen sind von Menschen geschaffene Wege, die zu Ihm oder auch ganz woandershin (im Buddhismus etwa: zum Nirvana, zum Verlöschen) zu gelangen anstreben.
Und natürlich können auch jene Gläubige anderer Religionen, „die an unüberwindbarem Unwissen um unsere heiligste Religion leiden und die das Naturgesetz und seine Gebote, die in aller Herzen von Gott eingeprägt sind, eifrig zu beachten bereit, ein ehrbares und richtiges Leben führen“ (Papst Pius IX.), zu Gott gelangen. Aber in anderen Religionen gibt es Wahrheiten, das Christentum ist wesentlich wahr.

Montag, 9. September 2024

Abtreibungspropaganda unter einem Kreuz

«Abtreibung / "Klima der Angst"» – so ist ein Artikel von Cornelia Krause auf „chrismon“, überschrieben, einem Netzauftritt des „Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik“, dessen Titel mit einem Kreuz geschmückt ist. Es ist ein flammendes Plaidoyer für freie Abtreibung.
Den Anlaß zu diesem Artikel hat das Abtreibungsverbot in Texas gegeben: «Im Bundesstaat Texas wird deutlich, was ein striktes Abtreibungsverbot bedeutet» – dort wurden Abtreibungen «verboten, sobald beim Fötus ein Herzschlag vorhanden ist. Das ist etwa ab der sechsten Schwangerschaftswoche ...»
«Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollten, müssten in andere Bundesstaaten reisen.» Das klingt, als sei eine Reise in einen anderen Bundesstaat etwas schlimmeres als eine Abtreibung. «Wem das Geld dazu fehle, sei gezwungen, ein Kind auszutragen, ohne für es sorgen zu können.» Das sollte ein Anlaß sein für die Forderung nach christlicher Solidarität und nach einer Sozialgesetzgebung, die es allen Eltern ermöglicht, ihr Kind ohne materielle Not aufzuziehen. Aber stattdessen schließt sich die Autorin dem Engagement einer Unitarier-Gemeinde für Abtreibung an.
Die Unitarier haben als christliche Sekte begonnen, die die Dreifaltigkeit ablehnt. In der Folge haben sie sich zu völliger religiöser Unverbindlichkeit entwickelt.
Das Engagement für Abtreibung «begründet der Pfarrer damit, dem Beispiel Jesus zu folgen: "Wo Not herrscht, bieten wir Unitarier Hand."» Man darf das Blasphemie nennen.
Das kurioseste Argument: «Und auch die Säuglingssterblichkeit ist in Texas im Jahr nach der Einführung des Verbots um 13 Prozent gestiegen. Vor allem weil Frauen schwer kranke Kinder gebären müssen – selbst wenn diese keine Überlebenschancen haben.» Das heißt, schwer kranke Kinder würden besser gleich getötet.
Was gemeint ist, wird noch prägnanter ausgeführt in einem Artikel in „NewsWorld“ über eine «Neue Studie: Anstieg der Säuglingssterblichkeit in Texas nach Abtreibungsverbot von 2021 festgestellt»: «Alison Gemmill, PhD, eine Hauptautorin der Studie, erklärte, dass strenge Abtreibungsgesetze die Gesundheit von Säuglingen beeinträchtigen können, da sie familiären Stress und höhere medizinische Kosten verursachen.» Mit diesem Argument kann man begründen, daß alle Kranken mit infauster Prognose sogleich eine tödliche Spritze bekommen sollten, um «familiären Stress und höhere medizinische Kosten», wie sie bei schweren Erkrankungen sich zu ergeben pflegen, zu vermeiden – implizit ein Plaidoyer für Euthanasie.

Samstag, 7. September 2024

Neu im Netz: E&Ewald 28

Die Armen in der Kirche – Basileios der Große erklärte einst, was für den Herrn der Ölberg gewesen sei, das seien nun für die Gläubigen die Bettler am Eingang der Kirche, denen sie Almosen zu geben haben. Wie ist es heute mit den Armen in der Kirche?
Miscellanea zur Heiligen Eucharistie – Vieles, was höchste Sakrament betrifft, ist heute an den Rand geraten, scheint fast vergessen. An einiges wird hier nun erinnert, einiges, was nicht ganz leicht zu verstehen scheint, wird anschaulich gemacht.
Vom Zufall und anderen Unwahrscheinlichkeiten – Ist die physikalische Welt ganz determiniert? Einige physikalische Anmerkungen mit philosophischem Aspekt.
Von der stillen Seele der Kühe – Können Kühe ein geistliches Vorbild sein? Auf einem Umweg zum meditativen Aspekt des Glaubens.
Ewald & Ewald: Das neue Heft zu Ehren der beiden heiligen Patrone des Niederrheins ist nun im Netz zu finden, zum Lesen am Bildschirm wie auch zum Ausdrucken.

Freitag, 6. September 2024

Ja. Nein.

Ist es den Katholiken der Stadt zumutbar, wenn in der Kirche in ihrer Nähe die Sonntagsmesse ausfällt, sich auf den Weg zur Sonntagsmesse in einer anderen Kirche der Stadt zu machen?
Die Antwort der Leitung der Stadtpfarrei:
1. Ja.
2. Nein.
– Synthese: keine.
Der Chronist von Orietur Occidens berichtet.