Samstag, 18. Mai 2024

Blau-gelbe Werbesprüche

«Morgen kommt von machen» lese ich auf einem Plakat der für die dümmlichsten Sprüche bekannten Partei. Etymologisch ist das Unsinn; und inhaltlich sagt es schlicht nichts.

«Öfter mal (an)stoßen? / Nachtleben in ........ verbessern» propagiert dieselbe Partei. Es ist der Finanzminister aus ebendieser Partei, der dafür gesorgt hat, daß nach der Corona-Zeit der Satz der Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 7 Prozent wieder auf 19 angehoben wurde.

«Familien fördern» fordert die AfD auf einem Plakat. Ebendiese Partei zeigt sich in Programm und Gesetzesanträgen äußerst familienfeindlich: das Bürgergeld will sie kürzen, nach sechs Monaten will sie die Grundsicherung für Arbeitssuchende nur gegen «Teilnahme an der „Bürgerarbeit“ mit 15 Wochenstunden» gewähren – «grundsätzlich», nicht einmal alleinerziehende Mütter oder Väter sind ausgenommen; sie wendet sich gegen eine Erhöhung des Mindestlohns, gegen die Ausweitung von Tarifverträgen; sie lehnt nicht nur den „Mietendeckel“ ab, sondern will gar die Mietpreisbremse abschaffen.

• Wohnungsnot – ein lösbares Problem? •

Samstag, 4. Mai 2024

Sichtbarer und unsichtbarer Glaube

Es gibt viele Atheisten, die die Kantaten von Johann Sebastian Bach lieben, immer wieder gerne hören. Diese Kantaten sind voller Glaubensaussagen, meistens so gesungen, daß der Text gut verständlich ist. Warum finden diese Atheisten dennoch nicht zum Glauben?
«Worte sind Schall und Rauch», sagt man. Daß es gesagt wird, gesungen wird, schön klingt, das reicht nicht aus, es zu glauben; es reicht nicht einmal aus, zu glauben, daß die Sänger selber daran glauben (was auch in der Tat nicht immer gewährleistet ist). «Ich glaube nur, was ich sehe», ist eine andere Redensart, eine dumme zwar, die aber eine psychologische Grundlage hat: wenn ein Mensch etwas sagt, so muß das, was ich an ihm sehe, die Art seines Auftretens, seines Verhaltens, mit dem übereinstimmen, was er sagt, damit seine Worte glaubwürdig sind.
Unsichtbarer Glaube ist steril – darum ist die körperlich sichtbare Hinwendung zu Herrn, an dessen Gegenwart man glaubt, zentrales Element jeder Liturgie. Jede Kniebeuge, jede tiefe Verneigung, der man die Hingabe ansieht, sagt mehr als jede Predigt. Und jede Kniebeuge, die unterlassen wird, jede Verneigung, die nur angedeutet wird, macht mehr zunichte, als irgendeine Predigt es auszugleichen vermag.
Ich habe viele gute Priester kennengelernt, an deren Glauben nicht zu zweifeln ist (allerdings habe ich auch Priester erlebt, die ihren Unglauben offen gezeigt haben). Aber auch bei solchen gläubigen Priestern habe ich in den Messen, die sie zelebrierten, wenig von ihrem Glauben gesehen. So fühlte ich mich mit meinem schwachen Glauben oft allein – das Wissen kommt nicht an gegen das, was man sieht.
In deutschen katholischen Messen ist zu erleben, daß der Priester es eilig hat, zu Beginn nach flüchtigem Altarkuß die liturgischen Formeln zu erledigen, um dann bei seinen eigenen Worten an die Gemeinde zu verweilen. Man kann erleben, wie der Priester die Gemeinde willkommen heißt zum Gottesdienst, als sei er der Gastgeber, nicht der Diener («il Servo» sagte Papst Pius X.).
Vor wenigen Monaten habe ich erlebt, wie bei einer Festmesse, zu der Priester von auswärts angereist waren, die vier Priester schnell gemeinsam die Verehrung des Altares (Grundordnung des Römischen Messbuchs 211) erledigten, dann an den Sitzen sehr ausgiebig sich gegenseitig begrüßten – kein Einzelfall.
«Ma, se vi debbo esprimere un desiderio, (è) quello che in Chiesa ... non salutiate neanche il Papa, perché templum Dei, templum Dei – Aber wenn ich einen Wunsch äußern soll, dann den, daß ihr in der Kirche ... nicht einmal den Papst begrüßt, denn templum Dei, templum Dei (der Tempel Gottes ist Tempel Gottes)», sagte einst Papst Johannes XXIII. Die Grundordnung des Römischen Messbuchs erlaubt dem Priester, «mit ganz knappen Worten die Gläubigen in die Messe jenes Tages ein[zu]führen» – begrüßt werden darf nur mit den liturgischen Formeln, die den Herrn einbeziehen, die Aufmerksamkeit nicht von ihm abwenden.
Oft habe ich an der Nachtwache in St. Prokop in Hamburg teilgenommen. In dieser russisch-orthodoxen Kirche habe ich mit Staunen erleben können, daß der Glaube sichtbar ist. Priestern, Diakon, Ministranten, alle sind, körperlich sichtbar, ganz dem Herrn zugewandt, vollziehen mit große Achtsamkeit die Riten. Der Priester übt über mehr als zweieinhalb Stunden mit Hingabe seinen Dienst aus, ohne auch nur zu predigen; daran, daß er «einen schönen Sonntag» wünschte, ist gar nicht zu denken. So fühlen sich die Gläubigen in ihrer persönlichen Frömmigkeit ernstgenommen. Ihre Teilnahme ist viel aktiver als in deutschen katholischen Kirchen. Schon draußen vor der Kirchentür machen sie drei Metanien (Kreuzzeichen, verbunden mit einer tiefen Verneigung, die hier unsere Kniebeugen vertreten). Sie verehren die Ikonen, küssen das Evangelienbuch mit mehreren Metanien, greifen aber auch einmal praktisch zu, wenn vom Kirchenschmuck etwas verrutscht. Sie nehmen innerlich am Gesang des Chors teil, zeigen sich dabei keineswegs weniger intensiv beteiligt als Katholiken beim Mitsingen von GL-Liedern – man sieht, wie sie dabei zur rechen Zeit Kreuzzeichen und Metanien machen. Doch beim abschließenden langen Marien-Lied singen sie mit Inbrunst mit.
Einen ganz anderen Ritus erlebe ich in der syrisch-orthodoxen Kirche, doch in der geistlichen Substanz ist es das gleiche. Ob man in katholischen Kirchen mit Schuhen in den Altarraum treten dürfe, fragte mich der Bruder meines syrisch-orthodoxen Patenkindes mit leichtem Entsetzen. Ich schämte mich etwas, das bejahen zu müssen. Gern hätte ich gesagt: «Ja, aber andererseits ...»; doch leider fiel mir nichts an «aber andererseits» ein.

Donnerstag, 2. Mai 2024

Die „Vorstellungen der Kirche“

«„Früher war es so, dass eine Einrichtung dadurch katholisch sein sollte, dass Beschäftigte im Regelfall katholisch sind und ihr Privatleben nach den Vorstellungen der Kirche ausrichten“, warf Kollig, ein Mitglied der Arnsteiner Patres, ... „Das ist aber schon lange gar nicht mehr möglich – gerade hier im Erzbistum finden wir schlicht das Personal nicht, das zugleich fachlich qualifiziert und katholisch ist“», so ist bei CNA zu lesen. Er spricht zu Recht ein gravierendes Problem an; und in irgendeiner Weise wird die Kirche in dieser Sache unerfreuliche Kompromisse schließen müssen.
Nur: «ihr Privatleben nach den Vorstellungen der Kirche ausrichten» – warum sagt er nicht: «ihr Privatleben nach den Vorstellungen Christi ausrichten»?

Mittwoch, 1. Mai 2024

Romantik auf vier Notenlinien

Eckigen Noten auf vier Notenlinien, aber was am heutigen Fest gesungen wird, ist dennoch, deutlich zu hören, Romantik, keine Gregorianik.
Wann mögen diese romantischen Melodien entstanden sein? Die prunkvollen Antiphonen (Jacob autem), die beim heutigen Fest in beiden Vespern und in den Laudes gesungen werden, erscheinen beim Fest des heiligen Joseph am 19. März nur bei den Psalmen der I. Vesper; in Laudes und II. Vesper sind es andere (Ibant).
Das Fest am 19. März hat sich seit dem späten Mittelalter verbreitet. Im Breviarium Romanum von 1568 hatte es aber noch keine Eigentexte außer der Oration.
Das heutige Fest hat eine komplizierte Geschichte. Das eigentliche Fest des heiligen Joseph fällt ja stets in die Fastenzeit; so war es durchaus sinnvoll, diesem bedeutenden Heiligen, der gewissermaßen ein Spätgeborener des Heiligenkalenders ist, auch ein Fest ohne Fasten zu widmen. So wurde das Fest patrocinii S. Joseph 1847 von Papst Pius IX. eingeführt. Doch legte der Papst dieses zusätzliche Fest auf den 3. Sonntag nach Ostern, so daß ein Sonntag der Osterzeit verlorenging. Pius X. verlegte das Fest, nun einfach Solemnitas S. Joseph geheißen, dankenswerterweise auf den Mittwoch nach dem 2. Sonntag nach Ostern; doch gab er diesem Fest eine Oktav, eine einfache, nicht etwa nur eine gewöhnliche Oktav, so daß nun eine ganze Woche der Osterzeit (außer des Sonntags) dem heiligen Joseph gewidmet war, nicht mehr der Osterzeit selbst. Pius XII. schaffte dankenswerterweise diese Oktav wieder ab; doch verlegte er das Fest auf den 1. Mai, nun unter dem Namen S. Joseph opificis, des «Manns der Arbeit». Der 1. Mai war aber eigentlich das Fest der heiligen Apostel Philippus und Jakobus, das nun auf den 11. Mai weichen mußte. Und bei der Kalenderreform Pauls VI. mußte dieses letztere Fest noch weiterziehen, auf dem 3. Mai, wodurch das Fest der Auffindung des Heiligen Kreuzes verlorenging.
Sind die Melodien der Antiphonen des heutigen Festes (Jacob autem und die der Cantica) ihm schon 1847 zugedacht worden? Das Fest S. Joseph opificis jedenfalls hat sie von der Solemnitas S. Joseph übernommenen. Sie entsprachen dem Geschmack der Zeit: Das war wohl nicht einmal pastoral gemeint; man empfand einfach so. Und auch heute noch kann man das so schön finden; ich allerdings sehne mich doch etwas nach der Keuschheit der echten Gregorianik.

Gebet zum Herrn gewandt

Kürzlich ist mir Alexander Solschenizyns „August Vierzehn“ in die Hände geraten. Dabei fiel mir auf, was einfache Russen seinerzeit noch selbstverständlich an Wissen vom Gottesdienst hatten.
Wie ist das eigentlich bei uns heute?