Samstag, 12. März 2022

Braucht Christentum Priester?

Martin Ebner, Priester und emeritierter Professor für Neutestamentliche Exegese verneint das; und katholisch.de gibt ihm dazu ausgiebig Raum.
Dreierlei springt bei seiner Argumentation ins Auge:
I. «Ein "starkes Zeichen" gegen die Lehre, dass das Priestertum direkt auf dem Willen Christi gründe, sei die Tatsache, dass der Clemensbrief aus dem Jahr 90, der dieses Konzept nennt, nicht in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen worden sei.» Im nächsten Absatz: «Das christliche Priestertum, wie es heute bestehe, sei Anfang des dritten Jahrhunderts entstanden, erklärte Ebner weiter.» Also: dieses «Konzept», das im Jahre 90 im Clemensbrief «genannt» wird, ist dann Anfang des dritten Jahrhunderts entstanden.
II. Eine abenteuerliche Vorstellung steht hinter Prof. Ebners Argument: was im Clemensbrief steht, müsse falsch sein, denn sonst wäre der Brief doch ins Neue Testament aufgenommen worden. Dieser Brief, wenn er auch laut Prof. Ebner «aus dem Jahr 90» datiert (eine andere These ist, daß er Ende der sechziger Jahre, vor der Zerstörung des Tempels, geschrieben wurde, was angesichts von Clem. 40 wahrscheinlicher ist), führt sich nicht auf einen Apostel zurück: darum wurde er nicht ins Neue Testament aufgenommen.
III. Prof. Ebner setzt mit seiner Argumentation voraus, daß in der katholischen Kirche das «sola scriptura»-Prinzip gelte, welches bisher als protestantisch gegolten hat.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche und der Krieg

Als der Patriarch von Konstantinopel 2018 in kanonisch zumindest fragwürdiger Weise eine vom Moskauer Patriarchat getrennte Ukrainisch-Orthodoxe Kirche mit einem Patriarchen von Kiew begründet hatte, blieb ein Großteil der orthodoxen Hierarchie und des orthodoxen Volkes in der Ukraine der Russisch-Orthodoxen Kirche und damit dem Moskauer Patriarchen treu.

Noch am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Großangriffs auf die Ukraine, appelierte Metropolit Onufrij, der Primas der Russisch-Orthodoxen Kirche in der Ukraine, an Putin, «unverzüglich den Bruderkrieg zu beenden», «der Krieg zwischen diesen Völkern sei eine Wiederholung von Kains Sünde, welcher aus Neid seinen eigenen Bruder tötete» (engl.).
Am 3. März wurde von den Russisch-Orthodoxen Bischöfen in Deutschland, zweien der Auslandskirche, die sich mittlerweile mit dem Moskauer Patriarchat vereinigt hatte, und einem, der dem Patriarchat direkt untersteht, ein „Appell der Hierarchen an die Pfarrer und Gemeindemitglieder der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland zur Hilfeleistung für Flüchtlinge aus der Ukraine“ veröffentlicht; darin heißt es: «Der Schmerz, den das ukrainische Volk derzeit erleidet, wird von den Kindern der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland geteilt.»
Am 5. März wurde ein „Appell der Priester und Diakone der Russisch-Orthodoxen Kirche mit einem Aufruf zur Versöhnung und Beendigung des Krieges“ veröffentlicht; er wiederholt den Vergleich mit Kains Bluttat und endet mit: «Beendet den Krieg.»

Was aber sagt der Russisch-Orthodoxe Patriarch?
Patriarch Kirill fragt in einer Predigt am Vergebungssonntag, dem 6. März: «Wer greift die Ukraine heute an? Acht Jahre Unterdrückung und Vernichtung von Menschen im Donbaß, acht Jahre Leiden, und die ganze Welt schweigt – was bedeutet das?» Es hat in der Tat in der ukrainischen Politik nationalistische Tendenzen gegeben, die dem russischsprachigen Teil der Bevölkerung Anstoß gaben; aber «Unterdrückung» ist dafür wohl ein zu großes Wort und «Vernichtung» eine Unwahrheit – der Patriarch betreibt hier offenkundig Geschichtsklitterei.
Am 9. März legt er nach: «Andere Staaten hätten die Ukraine bewaffnet, damit sie gegen ihre russischen Brüder kämpften.» Daß es nicht nur Krieg im Donbaß gibt, sondern die russische Armee einen Krieg gegen die ganze Ukraine begonnen hat – ein Krieg, der durch keine Vorwürfe an die ukrainische Politik, seien sie berechtigt oder nicht, zu entschuldigen ist –, daß daraus bald ein Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung ukrainischer Städte geworden ist: davon spricht er nicht.
Die Sowjetzeit hat die Russisch-Orthodoxe Kirche nur überstanden, indem Patriarch und Hierarchen sich gegenüber dem Regime handzahm verhalten haben und zum Teil sich auch dessen Lügen angeschlossen haben. Was aber soll solch eine Liebedienerei Putin gegenüber? Hofft der Patriarch, ihn dadurch zur Mäßigung wenn schon nicht den Menschen, so doch den Kirchen in der Ukraine gegenüber bewegen zu können? In Kiew liegen zwei der bedeutendsten Heiligtümer der russischen Kirche, die Sophienkathedrale und das Höhlenkloster, erstere mitten in der Stadt.
Ich kann nur hoffen, daß diese (schwache) Entschuldigung nicht an den Haaren herbeigezogen ist.

Donnerstag, 3. März 2022

Russische Bomben auf Kiew

In Kiew fand 28. Juli 988 am Dnepr die Taufe der Rus’ statt, derer in Rußland und der Ukraine mit einem besonderen Festtag gedacht wird. Kiew war das kulturelle Zentrum Rußlands, der Ukraine und Weißrußlands in der Zeit vorm Mongolensturm. Die Sophienkirche in Kiew ist ein großartiges Denkmal dieser Kultur – den künstlerischen und geistlichen Eindruck, den sie auf mich machte, habe ich in lebendiger Erinnerung.
Russische Bomben auf Kiew – ein unerträglicher Gedanke der unschuldigen Menschen in der Stadt wegen, aber auch wegen der Vernichtung von Grundfesten russischer – keineswegs nur ukrainischer Kultur.