Unter Pius IX. wurde 1855 der „falsche Traditionalismus“ verurteilt, wie ihn Augustin Bonnetty vertrat: alles Wissen komme aus der Tradition, ohne die Offenbarung sei die menschliche Vernunft zur Erkenntnis von Wahrheit nicht fähig. Solche Lehre, die der Heiligen Schrift (Sap. 13, 1-9; Rom. 1, 18-20) und der Scholastik (etwa des heiligen Thomas Summa contra gentiles) widersprechende Lehre wurde vom I. Vaticanum (Constitutio dogmatica de fide catholica, cap.2: De revelatione; KKK. 36) definitiv zurückgewiesen: «Sancta Mater Ecclesia tenet et docet, Deum, rerum omnium principium et finem, naturali humanae rationis lumine e rebus creatis certo cognosci posse – Die heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden kann.» Solch falscher Traditionalismus erstand später im protestantischen Raum (der schon gegen Immanuel Kants unsägliche Argumentation gegen den Gottesbeweis nicht immun war) in Karl Barths Diastasentheologie neu ; in der Katholischen Kirche sollte es dergleichen nicht mehr geben.
Heute aber neigt man dazu, „Traditionalisten“ Katholiken zu nennen, für die die Tradition die höchste Norm ist. Doch dieser Ausdruck ist überflüssig: natürlich ist die Tradition – was denn sonst wäre „katholisch“ – für jeden Katholiken die höchste Norm, ein „Traditionalist“ ist also einfach ein Katholik.
Doch gibt es auch katholische „Traditionalisten“ einer besonderen Art – solche begegnen Pietro Chiaranz (der selber ein wahrer Traditionalist ist) im Netz: solche, die «sich daran machen, das Kind zusammen mit dem schmutzigen Wasser zurückzuholen, jenes Kind und jenes schmutzige Wasser, die vom säkularisierten katholischen Klerus ausgeschüttet worden sind. Wie die letzteren, so sind die ersteren unfähig, einen Unterschied zu machen, auch nur den geringsten historischen Sinn zu haben, zu begreifen, daß, wenn das Kind gerettet werden soll, das schmutzige Wasser ohne weiteres auszuschütten ist. Die ersteren und die letzteren, wenn auch in gegensätzlichen Lagern, zeigen, daß sie sehr ähnlich sind, Kinder derselben „Mamma“: der Ideologie.»
Die Folgen einer Strafrechtsreform
vor 2 Wochen
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