Freitag, 7. September 2018

Franciscus P.P. I. – ein kirchengeschichtlich einmaliges Experiment

Am 26. August hat Mons. Carlo Maria Viganò ein Dokument veröffentlicht, demzufolge er schon 2013 Papst Franziskus mitgeteilt hat, daß sich Kardinal McCarrick sexuelle Übergriffe zuschulden kommen läßt. Damals geschah daraufhin seitens des Papstes nichts. Nun hat Mons. Viganò ihn zum Rücktritt aufgefordert.
Der Papst reagierte darauf nur eher am Rande. Doch es erhoben sich Stimmen, die Mons. Viganòs Zeugnis als unglaubwürdig darzustellen suchten. In Deutschland war es zunächst die Süddeutsche Zeitung, die sich daran machte. Ihre Argumentation ist bemerkenswert: sie wirft Mons. Viganò vor, es fehlten bei ihm «dokumentierte Beweise» – aber eine Zeugenaussage hat auch ihre Gültigkeit, wenn sie keine anderweitigen Beweise anführt. Doch Mons. Viganò nennt auch viele andere befragbare Zeugen, angefangen mit Papst Benedikt XVI. Die Süddeutsche nennt Gründe, weshalb Mons. Viganò Franziskus I. mißgünstig gesonnen sein könnte – doch Grund zur Mißgunst widerlegt eine Aussage nicht. Und sie führt ausgerechnet Andrea Tornielli als Beleg an, den Vatikanisten, der nicht dafür bekannt ist, daß er seine Position als «Vatican Insider» durch kritische Haltung gefährden wolle – angesehenere Vatikanisten wie Sandro Magister und Marco Tosatti zeigen keine solchen Zweifel gegenüber Mons. Viganòs Dokument.

Aber dennoch dürfte es wahr sein, daß Papst Franziskus von diesen Übergriffen nichts wußte.
Den Schlüssel bietet, was wir vor einigen Jahren schon auf unserer Seite über Franziskus I. und die Franziskaner der Immaculata geschrieben haben über den Papst, der nichts erfährt: der Papst hat eine kleine Zahl von Vertrauten; was er von anderen hört, hat für ihn keine Bedeutung – und Mons. Viganò gehört nicht zu diesen Vertrauten, wohl aber – bis vor kurzem – Kardinal McCarrick.
Franziskus I. ist Jesuit. Dieser Orden heißt von Anfang an «Compañía de Jesús» (die lateinische Bezeichnung «Societas Jesu» ist jünger), er ist nach militärischem Vorbild verfaßt. Während der heilige Benedikt einerseits strikten Gehorsam dem Abt gegenüber verlangt, andererseits aber vom Abt fordert, in allen Angelegenheiten den Rat der Brüder einzuholen und zu berücksichtigen, in wichtigen den des ganzen Konvents (Regula cap. 3), sieht der heilige Ignatius die «Vorhersehung mittels des Oberen» wirken, er fordert ihm gegenüber ausdrücklich «blinden Gehorsam», «perinde ac cadaver» (Constit. S.J., VI. pars, cap. I. / § 547).
So hat jeder Obere in dieser Kompanie absolute Befehlsgewalt gegenüber seinen Untergebenen; wie er sich beraten läßt, liegt an ihm. Andererseits aber hat er seinen eigenen Oberen ebenso absolut zu gehorchen. Der letztendliche Obere, dem auch der Ordensgeneral zu gehorchen hat, ist der Papst. Nun aber ist mit Franziskus I. zum ersten Mal ein Jesuit Papst geworden, zum ersten Mal hat ein Jesuit keinen irdischen Oberen mehr über sich. So wählt er allein nach seinem Ermessen aus, wem er vertraut; und Mons. Viganò hat nicht sein Ohr.

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