28 Seiten sind der Gestalt Martin Luthers gewidmet. Und da rappelt's mächtig im Karton. Als ecclesiastical-correctness-Gehemmter zuckt man Zeile für Zeile zusammen, so mächtig haut der Autor dem Reformator die Mütze voll, was seine katastrophale kulturelle Wirkung für Deutschland angeht.
Leseprobe:
Eigentlich ging es Deutschland, der „elenden Nation“, wie
Luther posaunte, gar nicht so schlecht. Erst er stülpte dem Land mit seiner
rigorosen Moral etwas unsäglich Trostloses über: nahezu kulturellen
Masochismus, klösterliche Enge und Strenge, ganz so, als sollten die Deutschen
laisierte Mönche und Nonnen werden, autoritätseifrig und entsagungsfreudig.
Die Rede von der Freiheit eines Christenmenschen gegenüber
dem Papst entpuppte sich als Einleitung für die Lehre von der Knechtschaft der
Bürger gegenüber den Fürsten. Die Utopie der Freiheit wurde zum Schlaflied,
denn für das „gemeine Volk“ bedeutete die Reformation kaum einen zählbaren
Gewinn, weder materiell noch politisch, im Gegenteil, mehr den je sollte es ein
Oben und ein Unten, sollte es Herren und Knechte, Gebieterinnen und Mägde
geben. Der Reformator bog es so hin, daß das „gemeine Volk“ stolz darauf war,
anspruchslos zu sein.
Aus: Erwin Seitz, Die
Verfeinerung der Deutschen. Eine andere Kulturgeschichte. Berlin 2011; S. 70
Das ist natürlich ganz böse und darf man so nicht schreiben. Aber es ist doch bemerkenswert und erfreulich, daß so etwas im Jahr 2011 in Deutschland gedruckt werden darf. Vive la liberté!
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