Samstag, 16. August 2014

So ist es im Himmel


Das ewige Leben besteht in voll gestillter Sehnsucht; denn dort besitzt jeder Selige mehr, als er sich ersehnte und erhoffte. Das kommt daher, daß niemand im irdischen Leben seine Sehnsucht stillen kann und daß etwas Geschaffenes niemals das Verlangen des Menschen erfüllt. Gott allein stillt es, und er allein übertrifft es unendlich. So erklärt es sich, daß die Sehnsucht niemals zur Ruhe kommt außer in Gott, wie Augustinus sagt: „Du hast uns, Herr, für dich geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es in dir ruht!“

Weil die Heiligen im Vaterland Gott vollkommen besitzen, ist es klar, daß ihr Verlangen gestillt wird und daß die Herrlichkeit noch darüber hinausgeht. Darum sagt der Herr: „Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn.“ (Mt 25, 21) Denn volle Freude dringt nicht in die Glücklichen ein, sondern die Glücklichen treten ganz in die Freude ein. „Ich will mich satt sehen an deiner Herrlichkeit, wenn sie erscheint“ (Ps 17, 15 Vg.), und wiederum: „Deine Sehnsucht erfüllt er mit Gütern.“ (Ps 103, 5 Vg.) Was immer Freude bereitet, das alles gibt es dort in Überfülle. Wenn jemand nach Freuden strebt: Dort ist größere und vollkommenere Freude, weil sie von Gott, dem höchsten Gut, kommt. Es heißt: „Zu deiner Rechten ist Wonne für alle Zeit.“ (Vgl. Ps 16, 11)

Das ewige Leben besteht auch in der frohen Gemeinschaft aller Seligen. Sie ist eine überglückliche Gemeinschaft, denn jeder liebt alles Gute mit allen Seligen gemeinsam. Jeder liebt den anderen wie sich selbst. Darum freut er sich über das Glück der andern wie über das eigene. Daher kommt es, daß Freude und Glück des einen mit dem Glück der andern wächst.

Hl. Thomas von Aquin († 1274)
Aus der Schrift über das Glaubensbekenntnis

(Aus: Die Feier des Stundengebetes, Monastisches Lektionar, II-II, S. 397; Lesehore/Vigil am Samstag der 19. Woche im Jahreskreis II)

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