Wie Kaiser Tiberius auf Capri lebte, weiß man nicht, wieviel der antike Klatsch auch meint darüber berichten zu können. Jedenfalls hatte er A.D. 26 Rom verlassen, die Regierung übernahm der Prätorianerpräfekt L. Aelius Sejanus. Dessen Regierung wurde zu drückender Tyrannei, doch der Kaiser vertraute ihm. Erst als ihm aus dem Kaiserhaus hingebracht wurde, Sejanus wolle sich selbst zum Kaiser machen, schritt Tiberius ein; er ließ Sejanus vor dem Senat verklagen, welcher ihn noch am selben Tag, am 18. X. 31, hinrichten ließ.
Und es folgte eine mörderische Verfolgungswelle gegen Angehörige und Anhänger des Sejanus.
Eine Kreatur des Sejanus, Pontius Pilatus, seit 26 Procurator von Judaea, durchstand diese Verfolgungswelle. In dieser kritischen Zeit wurde in der Nacht zum Freitag, den 3. IV. 33, den 14. Nisan nach jüdischem Kalender, Jesus Christus vom Hohenpriester vor seinen Richtstuhl gebracht. Pilatus versuchte, das Verfahren von sich abzuschütteln: «Nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz» (Joh. 18, 31). Die Beschuldigungen klangen in den Ohren des Römers haltlos: «Ich finde keinerlei Schuld an ihm» (Joh. 18, 38; 19, 4. 6). Doch er wußte um seine Situation Rom gegenüber; und der Hohepriester und seine Leute wußten darum: «Wenn du diesen losgibst, bist du des Kaisers Freund nicht» (Joh. 19, 12). Jesus selber zeigte Verständnis für die Situation des Pilatus; daher die beiden Sätze, die ohne diesen Hintergrund zusammenhanglos erschienen: «Du hättest keinerlei Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre; darum hat der, welcher mich dir überliefert hat, größere Sünde» (Joh. 19, 11) – der in dieser Zeit ganz fragile Zustand der Macht, die Pilatus von Rom gegeben war, gab denen Macht, die ihm Jesus überlieferten.
Und so entschied sich Pilatus, lieber als den eigenen Kopf zu wagen, den Unschuldigen hinrichten zu lassen: «Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn! Denn ich finde keine Schuld an ihm» (Joh. 19, 6).
(Evangelientexte nach der Elberfelder Übersetzung)
Die Folgen einer Strafrechtsreform
vor 2 Wochen
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