Mons. Werner Thissen, emeritierter Erzbischof von Hamburg, hat über den Umgang mit sexuellem Mißbrauch im Bistum Münster gesprochen, dessen Personalwesen er in den frühen achtziger Jahren vorstand, dessen Generalvikar er in den späten achtziger und den neunziger Jahren war.
In diesem Gespräch mit der Bistumszeitung hat er Fehler eingestanden, die in Wirklichkeit nicht einfach seine persönlichen Fehler waren, sondern im Personalwesen allgemein verbreiteter Brauch, ein Brauch, der auf noch weiter verbreiteten Mißverständnissen vom Wesen von Therapie beruht.
Man hat der Therapie vertraut. Aber Psychotherapie ist kein Sakrament, sie wirkt nicht ex opere operato. Die wesentliche Leistung in einer Therapie ist die des Klienten: er muß therapiefähig sein, die erforderliche Beziehungs- und Introspektionsfähigkeit haben und darüber hinaus den psychischen (sagen wir einmal so:) Humus für Veränderung haben; und er muß sich willentlich und mit allem Einsatz auf die Therapie einlassen. Und selbst dann ist der Therapieerfolg nicht einfach gewährleistet.
Mißbrauchsverdächtige wurden irgendwann wieder in der Pfarrseelsorge eingesetzt, dann nämlich, wenn der Therapeut das für richtig erachtete. Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren mit Alkoholikern; ich weiß, daß ich nicht wirklich vorhersagen kann, ob ein Patient rückfällig wird. Nun hat auch das Verhalten von Pädophilen und Teknophilen Suchtcharakter; bei ihnen ist ebensowenig vorherzusagen, ob sie rückfällig werden (die sexuelle Orientierung auf Kinder und Jugendliche selbst ist im sehr begrenzten Rahmen einer üblichen Therapie nicht aufhebbar).
Damals, in den achtziger Jahren, habe er keine Vorstellung davon gehabt, «was für ein Schaden bei einem jungen Menschen angerichtet wird durch Missbrauch» . Damit nun war er in jenen Jahren wenn nicht in guter, so doch in reichhaltiger Gesellschaft. Das ist mittlerweile (ihn belaste das heute sehr) dankenswerterweise sehr anders; dringend zu wünschen ist, das in den Ordinariaten darüber hinaus der Glaube an die quasi-sakramentale Wirkung von Therapie und an die Allwissenheit der Therapeuten geschwunden ist.
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