Wenn man heutzutage vom Zölibat spricht, so meint man in aller Regel das Gesetz, daß nur unverheiratete – ledige oder verwitwete – Männer zu Priestern geweiht werden. Allgemein anerkannt ist, daß dies positives Recht in der lateinischen Kirche ist, welches der Papst aufzuheben berechtigt wäre. Das zu tun wird gegenwärtig wieder als Heilmittel gegen den Priestermangel propagiert.
Die geistliche Bedeutung des Zölibats kann ich hier nicht diskutieren; auch will ich nicht diskutieren, ob der Zölibat dazu beigetragen hat, daß der katholische Klerus dem Zeitgeist, so etwa der nationalsozialistischen Ideologie, weitaus besser widerstanden hat als ein Großteil der protestantischen Geistlichkeit. Ich will hier nur ganz pragmatisch fragen, ob eine solche Aufhebung wirklich zum Nutzen der Kirche wäre.
Im frühen III. Jahrhundert wirft Hippolyt, der als erster Gegenpapst gilt, Papst Kallistus vor, dieser habe Kleriker, die heiraten, im Klerus verbleiben lassen. Ein solcher Vorwurf konnte nur bestehen, wenn die Norm, die Hippolyt einfordert, damals als allgemeingültig akzeptiert war. Also bestand damals schon die Norm – seit wann, bleibt ungewiß –, daß Kleriker zwar verheiratet sein dürfen, doch wenn sie es nicht sind, nun, nach ihrer Weihe, nicht mehr heiraten dürfen. Ob Hippolyts Vorwürfe gegen den Papst stimmen, ist nicht zu klären; sicher festzustellen ist die Norm, auf die er sich beruft.
Später gab es Bestätigungen dieser Norm – die Synode von Neocaesarea (314/15) ordnet an: Priester, die heiraten, verlieren ihr Amt (c. I) – und geringe Einschränkungen – die Synode von Ancyra (314) erlaubt: Diakone dürfen heiraten, wenn sie sich das bei ihrer Weihe ausdrücklich vorbehalten haben (c. X). Insgesamt aber ist das die Norm, die bis heute im Osten wie im Westen gilt: wer eine höhere Weihe empfangen hat, darf nicht mehr heiraten.
Eine etwas spätere Entwicklung ist, daß nur unverheiratete Männer zu Bischöfen – so bis heute im Osten – und dann schließlich im Westen auch zu Priestern nur unverheiratete Männer geweiht werden. Zuvor schon werden sie darauf hingewiesen, daß, wenn sie sich weihen lassen, «castitatem illo adjuvante servare oportebit» (so im extraordinären Usus vor der Weihe zum Subdiakon) – eine Zölibatsverpflichtung also zumindest gleicher Verbindlichkeit wie die für die «ausgewählten» Witwen.
Verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, könnte der Papst grundsätzlich erlauben, wie das ja auch für verheiratete konvertierte protestantische Pastoren sein Papst Pius XII. geschieht und für die katholischen Ostkirchen selbstverständlich ist. Verheiratete Männer zu Bischöfen zu weihen, wäre dagegen ein Bruch mit den heutigen Ostkirchen und darüber hinaus mit einer anderthalbtausendjährigen gesamtkirchlichen Tradition, kann also nicht in Betracht gezogen werden.
Erst recht ist es nicht möglich, schon geweihten Priestern zu erlauben, zu heiraten, denn daß verstieße nicht nur gegen eine alte gesamtkirchliche Tradition, sondern gegen eine schon in der Märtyrerzeit bezeugte allgemeinverbindliche Norm. Dazu kommt die ausdrückliche persönliche Verpflichtung der Weihekandidaten, deren hohe Verbindlichkeit schon im Neuen Testament für die «ausgewählten» Witwen klar eingefordert ist.
Die Zölibatsverpflichtung aufzuheben hieße also, verheiratete Männer zur Priesterweihe zuzulassen, nicht aber, schon geweihten Priestern die Ehe zu gestatten.
Die Zölibatsverpflichtung aufzuheben hieße somit, die Priester, die sich bisher schon zum Priesteramt berufen sahen und dafür den Zölibat auf sich genommen haben, wissen zu lassen: wenn sie gewartet hätten, der eine sehr lange, der andere aber nur Monate, Wochen oder gar Tage, dann könnten sie jetzt bald verheiratet sein und Priester sein – jetzt aber, nach ihrer Zölibatsverpflichtung und ihrer Weihe, geht das nicht mehr.
Die geistliche Bedeutung des Zölibats wollte ich hier nicht diskutieren; ich will hier nur ganz pragmatisch fragen, ob es wirklich zum Nutzen der Kirche wäre, unseren Priestern diese Botschaft zu vermitteln.
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vor 2 Wochen
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