Die Personen
Don Achille Ratti
war ein bedeutender Wissenschaftler, seine Wirkungsstätte war die Bibliotheca Ambrosiana und später die Bibliotheca Vaticana. Ein eher ruhiges Gelehrtendasein – doch hatte er auch eine andere Seite: er war ein sehr fähiger Alpinist, unternahm bis zum Alter von 56 Jahren viele anspruchsvolle Bergtouren. Das erforderte Umsicht und Urteilsvermögen – ähnlich wie seine wissenschaftliche Arbeit –, zudem Mut und Entscheidungskraft und besonders auch Solidarität.
Dann kam der Erste Weltkrieg. An dessen Ende überschlugen sich die Ereignisse: er wurde 1918 Apostolischer Visitator, 1919 Nuntius, 1921 Erzbischof von Mailand und Kardinal, 1922 Papst.
Pius XI. war der Papst, der Quadragesimo anno (1931) von Rerum novarum mit seiner Enzyklika die katholische Soziallehre weiterführte, mit einer Enzyklika, die weitgehend von Oswald von Nell-Breuning verfaßt war, der sich nicht scheute, auch von Marx zu lernen; doch wurden der Marxismus abgelehnt – und ebenso der Kapitalismus, der Glaube an die Konkurrenz als Allheilmittel. Er begründete die Katholische Aktion, die intensive Teilnahme der Laien am Apostolat der Kirche, forcierte die Mission, gab Kirchen von Missionsländern einheimische Bischöfe.
Don Eugenio Pacelli
hatte sein priesterliches Leben fast ganz im diplomatischen Dienst der Kirche verbracht. 1917 kam er nach Deutschland, wurde Nuntius in München, dann in Berlin. Er lernte in zwölf Jahren Deutschland sehr genau kennen, lernte perfekt Deutsch. 1929 kehrte er zurück nach Rom, wurde Kardinal, ein Jahr später Kardinal-Staatssekretär.
Neben dem temperamentvollen robusten Lombarden Ratti verkörperte der grazile Römer Pacelli das diplomatische Prinzip. Pius XI. war ein sehr energischer, sehr impulsiver Mann – aber er hatte sich auch als Wissenschaftler ausgezeichnet, hatte viele gefährliche Bergtouren zu überleben gewußt. Msgr. Pacelli war Diplomat, ein sehr umsichtiger, bedachtsam handelnder Mann – aber er handelte so entschieden, daß die NS-Propagandisten ihn als Scharfmacher gegen ihre Ideologie identifiziert haben. Als Nuntius zeigte er körperlichen Mut, als er auch während der Revolutionswirren 1918-19 in der Stadt blieb und sich so den Wirren der Revolution aussetzte, in deren Lauf ein bewaffneter Stoßtrupp bis zu ihm in die Nuntiatur vordrang.
Papst Pius XI. und sein Staatssekretär ergänzten einander, wirkten gegenüber den totalitären Mächten der Zeit ähnlich eng zusammen, wie einst Papst Pius VII. und Kardinal Consalvi, Papst Leo XIII. und Kardinal Rampolla zusammengewirkt hatten.
Die totalitären Regime
Als 1922 Pius XI. Papst wurde, regierten in Rußland bereits die Sowjets, wurde dort die Kirche schon grausam verfolgt, unter Lenin nicht minder als unter Stalin. 1922 begann der Aufstieg Stalins, gelangte Mussolini an die Macht. Der Papst bemühte sich, die Probleme der Kirche durch Konkordate zu lösen, bemühte sich auch um eines mit der Sowjet-Union, erklärte, er würde sogar mit dem Teufel persönlich einen Pakt schließen, wenn es um das Heil der Seelen ginge.
Um dem totalen Machtanspruch dieser Regime gegenüber die Geltung übergeordneter, gottgegebener naturrechtlicher Normen einzufordern, führte der Papst am Ende des Heiligen Jahres 1925 das Fest Christ König am letzten Sonntag im Oktober ein. 1926 verurteilte er die Weltanschauung der ultranationalistischen Action française, die zwar kirchenfreundlich war, zugleich jedoch letztlich irreligiös, antisemitisch war und «Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit» ablehnte, Werte, die sich zwar die laïzistische Republik auf die Fahne geschrieben hatte, die jedoch – so Papst Leo XIII. – ursprünglich christlich sind. 1927 wurden die verbliebenen Mitglieder exkommuniziert.
Schon im März 1928, als die NSDAP noch eine bedeutungslos erscheinende Splitterpartei war, ließ er durch ein Dekret des Heiligen Offizium den Antisemitismus ausdrücklich verurteilen. Als er im September 1938 vor einer Pilgergruppe diese Verurteilung wiederholte, sagte er dabei auch den Satz: «Wir sind im geistlichen Sinne Semiten.»
1929 gelang ihm der Abschluß der Lateranverträge mit dem faschistisch regierten Italien, welche die Souveränität des Vatikanstaates begründeten – wieder einmal hat es sich in unserer Zeit gezeigt, wie notwendig der Schutz der Kirche durch diese politische Souveränität ist, als das US-amerikanische Höchste Gericht dem Papst abwegiger Beschuldigung wegen die Immunität aberkannt hat.
Doch den Faschismus verdammte er 1931 mit der Enzyklika «Non Abbiamo Bisogno» – der ersten Enzyklika, die nicht auf Latein verfaßt war.
In Deutschland war seit 1932 die NSDAP die stärkste Partei. Die deutschen Bischöfe hatten schon im August 1932 in den «Richtlinien» der Fuldaer Bischofskonferenz festgestellt, daß ihre sämtlichen Ordinariate die Zugehörigkeit zur NSDAP für unerlaubt erklärt hatten. Die Folgen waren deutlich: wo immer im Deutschen Reich überwiegend Katholiken wohnten, erhielten die Nationalsozialisten deutlich weniger Stimmen (an Ausnahmen gefunden habe ich die Kreise Sonthofen, Markt Oberdorf und Habelschwerdt mit einer mittleren Zahl von Wählern der NSDAP; an umgekehrten Ausnahmen – wenig Wählerstimmen für die Nationalsozialisten, wo nur wenig Katholiken lebten, gab es etwas mehr, wie Weimar und Leipzig, doch waren es nicht viele).
Politisch jedoch scheiterte die katholische Abwehr; 1933 konnte die NSDAP mit ihren bald darauf an den Rand gedrängten Verbündeten «die Macht ergreifen». Nun mußte gerettet werden, was zu retten war. Unter diesen Umständen war es klar, daß diese Art von Abwehr aufgegeben werden mußte; doch in der Sache wichen die Bischöfe nicht zurück. Die Verbote wurden mit einem Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 29. März aufgehoben; doch im selben Hirtenbrief wurde ausdrücklich gesagt, daß die diesen Verboten zugrunde liegende «Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer» davon unberührt bestehen blieb.
Nun aber bot Hitler den Abschluß des schon 1921 ausgehandelten, von den vorhergehenden Regierungen der Weimarer Republik verschlampten Reichskonkordats an, das die Lage der Kirche wenn auch nicht real, so doch juristisch absicherte. Gern wird Papst Pius XI., vor allem aber dem damaligen Kardinal-Staatssekretär Pacelli zum Vorwurf gemacht, er habe Hitler durch den ersten internationalen Vertrag, den dessen Reichsregierung abschließen konnte, ebendieses Reichskonkordat, diplomatisch hoffähig gemacht. Wirklichkeit ist: die Verhandlungen darüber begannen im April 1933 – die für den Viermächtepakt, mit dem Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien Zusammenarbeit und Solidarität vereinbarten, hatten im März begonnen. Am 8. Juli wurde das Konkordat paraphiert – der Viermächtepakt bereits am 7. Juni; am 20. Juli wurde es unterzeichnet – der Viermächtepakt bereits am 15. Juli. Ratifiziert wurde der Viermächtepakt nicht mehr, doch diplomatisch war er für die NS-Regierung bereits ein voller Erfolg: sein Abschluß hatte klargestellt, daß sie diplomatisch auf keinerlei Ablehnung stieß. Welche Staaten waren auf dem diplomatischen Parkett gewichtiger: England, Frankreich und Italien einerseits oder der Vatikan andererseits?
Das Konkordat half der Kirche freilich nur wenig, es folgte ein ständiger Kampf: des Regimes gegen die Kirche – ohne Rücksicht aufs Konkordat –; der Kirche gegen die rassistische und kollektivistische Ideologie.
1937 verdammte der Papst mit der wiederum in Volkssprache verfaßten Enzyklika «Mit brennender Sorge» den Nationalsozialismus, seinen Rassismus und seinen Totalitarismus. Es gelang, unter völliger Geheimhaltung die Enzyklika binnen einer Woche zu verteilen, so daß sie am Palmsonntag in allen Kirchen in allen Gottesdiensten verlesen werden konnte.
Das Regime reagierte massiv: alle Betriebe, die die Enzyklika gedruckt hatten, wurden enteignet – ihre Schulden ausgenommen; so wurden der Kirche künftige Aktionen dieser Art unmöglich gemacht. Wer außerhalb kirchlicher Gebäude die Enzyklika verteilte, wurde von der Gestapo belangt. Sittlichkeitsprozesse wurden gegen Priester eingeleitet – die deutsche Presse berichtete ausführlich darüber. Es gab Verurteilungen, aber auch Freisprüche – über letztere allerdings berichtete die deutsche Presse nicht.
Im September desselben Jahres, 1937, besuchten zum ersten Mal die Botschafter Frankreichs und Großbritanniens den Reichsparteitag der NSDAP. Als 1938 Hitler Rom besuchte, verließ der Papst die Stadt demonstrativ, um ihm nicht begegnen zu müssen.
Pius XII.
Pius XI. starb am 10. Februar 1939; am 2. März wurde, schon im dritten Wahlgang, Kardinal Pacelli zum Papst gewählt.
Kardinal Pacelli kannte Deutschland sehr gut; er sprach auch fließend Deutsch. Und er hatte ein klares Urteil. 1933 nannte er Hitlers Machtergreifung «verhängnisvoller ... als es ein Sieg der sozialistischen Linken gewesen wäre» (Heinz Hürten: Deutsche Katholiken 1918 bis 1945. Paderborn 1992, S. 193). Im selben Jahr fand der Rabbiner und Denker Leo Baeck: «Die nationale deutsche Revolution, die wir durchleben, hat zwei ineinandergehende Richtungen: den Kampf zur Überwindung des Bolschewismus und die Erneuerung Deutschlands. Wie stellt sich das deutsche Judentum zu diesen beiden? Der Bolschewismus, zumal in seiner Gottlosen-Bewegung, ist der heftigste und erbittertste Feind des Judentums» (Jüdische Allgemeine vom 24.1.2008: Hitlers Machtübernahme/„Ich bin auf alles gefasst“).
Kardinal Pacelli hatte mitgewirkt an der Enzyklika, hatte den Titel «Mit großer Sorge» verschärft zu «Mit brennender Sorge», hatte Aussagen gegen die Rassenideologie eingefügt. So wurde er für die nationalsozialistische Propaganda zur zentralen Figur des kirchlichen Kampfes gegen das Regime und seine Ideologie.
Papst Pius XI. und sein Staatssekretär hatten einander bemerkenswert ergänzt, Kardinal Pacelli hatte seine Stelle an der Seite des Papstes gefunden. Nun, gerade in der schwersten Zeit, mußte er beider Aufgaben allein übernehmen. Daß es ihm schwer viel, das neue Amt zu übernehmen, zeigte sich daran, daß er zeit seines Pontifikats die Tiara nur trug, wenn es unumgänglich war. Er nahm den Namen seines Vorgängers an, wurde Pius XII.. Die Aufgaben mit jemand anderem so zu teilen, wie Pius XI. es mit ihm getan hatte, erschien nicht möglich; daher ernannte er nach 1944 keinen eigenen Staatssekretär mehr.
Pius XII. war der Papst, der sich mühte, die Kirche für die Gegebenheiten der modernen Zeit bereit zu machen, so etwa mit liturgischen Reformen, die zum Teil bis an die Schmerzgrenze gingen (starke Reduktion des Nüchternheitsgebots vor der Kommunion, Abendmesse, Reform des Triduum sacrum) und doch das Wesen der Liturgie achteten. Er sprach Pius X. heilig; doch er war es auch, der mit den Enzykliken Divino Afflante Spiritu von 1943 und Humani Generis von 1950 die katholische Theologie vom überspannten Biblizismus der Bibelkommission Pius’ X. löste. Doch die Lehre der Kirche wußte er unbeschadet zu wahren.
Judenverfolgung und Krieg
Am 1 September 1939 begann der II. Weltkrieg. Seit dem 11. Juni 1940 beteiligte sich das Italien auf Seiten Deutschlands am Krieg. Seitdem war der Vatikan eine winzige Enklave mitten im Gebiet der «Achsenmächte». In Deutschland gab es quasi-staatliche Judenverfolgung, seit am 22. Februar 1933 SA- und SS-Leute zur Hilfspolizei ernannt wurden. Große Ausmaße nahm sie seit den Pogromen der Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 an; im Laufe des II. Weltkriegs weitete sie sich zum Völkermordes aus.
Im faschistischen Italien spielte der Antisemitismus anfangs keine bedeutsame Rolle, aber Italien geriet zunehmend unter deutschen Einfluß. Anfang 1939 häuften sich antisemitische Verordnungen im Geiste der «Nürnberger Gesetze», die Juden von vielen akademischen Berufe ausschlossen; der Vatikan protestierte nicht nur, sondern wußte auch zu helfen – Pinchas Lapide nennt den Kartographen Prof. Almagià, der, als er seine Anstellung verlor, in den Dienst der Vatikanischen Bibliothek übernommen wurde und unter päpstlicher Ägide die bibliophile Reproduktion einer Landkarte aus der Renaissance herausgeben konnte; ein Exemplar davon ließ Papst Pius XII. dem deutschen Außenminister schenken.
Ende Juni 1943 wird die faschistische Regierung gestürzt; daraufhin erobert Deutschland einen Großteils Italiens; so ist seit dem 10. September 1943 Rom mit Ausnahme des vatikanischen Territoriums dem nationalsozialistischen Völkermordregime ausgeliefert. Der Vatikan selbst, militärisch machtlos kann sich nur auf Verträge stützen.
Der Papst, der redete
Das vatikanische Territorium war umringt von der Militärmacht der faschistischen Regierung, später gar der nationalsozialistische Besatzungsmacht, wehrlos gegen jedwede Willkürmaßnahmen. Die Auslieferung des Osservatore Romano und aller vatikanischen Publikationen konnte unschwer unterbunden werden, Radio Vatikan konnte gestört, Telephon- und Telegraphenleitungen konnten gekappt werden. In Deutschland waren die zuverlässigsten katholischen Druckereien durch die Maßnahmen nach dem Erscheinen von «Mit brennender Sorge» erledigt. Die Verbreitung kritischer kirchlicher Stellungnahmen war in der Zeit des Krieges für jeden lebensgefährlich, der dabei half. So drohten die letzten Kanäle verschlossen zu werden, drohte jede Äußerung die letzte mögliche zu sein. Andererseits war längst alles gesagt: der Antisemitismus, der Faschismus, der Nationalsozialismus waren vom Papst verdammt. So konnte und so mußte der Papst eigentlich kaum mehr reden – er tat es dennoch. Pinchas Lapide (S. 229 f.) zählt mindestens sechs laute Äußerungen Pius’ XII. für Brüderlichkeit mit den Juden, gegen das Blutvergießen. Markantestes Beispiel ist die Weihnachtsbotschaft von 1942: «Questo voto l'umanità lo deve alle centinaia di migliaia di persone, le quali, senza veruna colpa propria, talora solo per ragione di nazionalità o di stirpe, sono destinate alla morte o ad un progressivo deperimento – die, persönlich schuldlos, bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind» (Radiomessaggio di Sua Santità Pio XII alla vigilia del santo natale. Giovedì, 24 dicembre 1942).
Albert Einstein Ende 1940: «Nur die katholische Kirche protestierte gegen den Angriff Hitlers auf die Freiheit. Bis dahin war ich nicht an der Kirche interessiert, doch heute empfinde ich große Bewunderung für die Kirche, die als einzige den Mut hatte, für geistige Wahrheit und sittliche Freiheit zu kämpfen.» (Des savants nous parlent de Dieu, éd. Rend Courtois, p. 70, Bruxelles [P. Lapide 228]).
Der Papst, der lieber rettete als redete
Durch die Lateranverträge völkerrechtlich geschützt waren das Territorium der Vatikanstadt sowie etliche extraterritoriale Kirchen und kirchliche Einrichtungen in Rom. In Rom lebten damals etwa 8000 einheimische Juden und weit über 1000 jüdische Flüchtlinge. Gut 1000 davon fielen der Scho’a zum Opfer; die übrigen wurden gerettet, ganz überwiegend in kirchlichen Einrichtungen und Klöstern. Überall dort wurden Juden untergebracht, in Rom, ebenso im übrigen Italien. So konnten in Italien von den einheimischen 45 000 Juden und den 10 000 jüdischen Flüchtlingen die meisten gerettet werden; 8 000 allerdings fielen doch der Scho’a zum Opfer. Auf päpstliche Anordnung wurde für die Rettung der Juden die Klausur der Klöster außer Kraft gesetzt; in Klöstern – so in den Kellerräumen von San Francesco in Assisi – wurden Synagogen für sie eingerichtet. Geschützt gegen Übergriffe waren sie nur durch die Vertragstreue notorisch vertragsbrüchiger Regime – und keineswegs waren alle kirchlichen Gebäude, die hierfür genutzt wurden, extraterritorial. Letztlich war der einzige Schutz der Juden die Treue des katholischen Volkes zur Lehre der Kirche und zum Papst.
Darum waren Vorsicht und Diplomatie lebensnotwendig. Pinchas Lapide zitiert Don Pizzo Scavizzi: «Ich habe wiederholt erwogen, den Nationalsozialismus zu exkommunizieren, um die Bestialität des Judenmordes vor der zivilisierten Welt anzuprangern. Doch nach vielen Tränen und Gebeten bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ein Protest nicht nur den Verfolgten keine Hilfe bringt, sondern sehr wohl das Los der Juden verschlimmern könnte ... Vielleicht hätte mir ein feierlicher Protest das Lob der zivilisierten Welt eingetragen, aber er hätte den armen Juden eine noch unerbittlichere Verfolgung gebracht als die, die sie jetzt zu leiden haben.» (nach Guenter Lewy & Hildegard Schulz: Die katholische Kirche und das Dritte Reich, S. 250, München 1965). Und er zitiert, was Pius XII. am 2. Juni 1943 über die um ihrer Rasse oder Nationalität willen Verfolgten zu den Kardinälen sagte: «Jedes Wort, das Wir in diesem Anliegen an die zuständigen Behörden richteten, und jede unserer öffentlichen Kundgebungen mußte von Uns ernsthaft abgewogen und abgemessen werden im Interesse der Leidenden selber, um nicht ungewollt ihre Lage noch schwerer und unerträglicher zu gestalten» (Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens. Soziale Summe Pius’ XII., hrsg. v. Arthur-Fridolin Utz u. Joseph Fulko Groner. Fribourg o.J., Nr. 1913).
Der Papst hatte recht: am 11. Juli 1942 protestierten die niederländischen Bischöfe in einem Telegramm an die Besatzungsbehörden gegen die Judendeportationen: «.. erschüttert durch die Maßnahmen gegen die Juden ... haben mit Entsetzen Kenntnis genommen von den neuen Maßregeln ...»; im Hirtenbrief vom 20. Juli machten sie ihren Protest öffentlich. Dieser Protest, sehr emphatisch, aber ohne ein eigentliches Verdammungsurteil, reichte aus, die deutsche Besatzungsmacht zu veranlassen, nun auch die zur katholischen Kirche konvertierten Juden zu deportieren, während die protestantischen verschont blieben.
Hätte der Papst mehr ausrichten können, wenn er sich anders verhalten hätte? Nun: solche «Was wäre, wenn»-Fragen lassen sich nicht gültig beantworten. Aber ich konnte nichts erkennen, was Zweifel daran erweckt hätte, daß Pius XII. stets die bestmögliche Entscheidung getroffen hat. Die Bemühungen und Leistungen des Papstes wurden allgemein anerkannt und bewundert; Pinchas Lapide zitiert eine Vielzahl von Danksagungen jüdischer Persönlichkeiten und Institutionen an ihn; der römische Oberrabbiner der Kriegszeit, Israel Zolli, nahm bei seiner Taufe den Taufnamen des Papstes, Eugenio, an.
Ich bin kein Historiker, habe keine eigene Quellenforschung betrieben (abgesehen von meiner braunen Brochure). Ich wollte nichts Neues ans Licht bringen – es ist längst genug an entscheidenden Tatsachen bekannt –, sondern die markantesten dieser Tatsachen markant zusammenstellen. Wenn Verleumdungen immer wieder neu veröffentlicht werden, so soll eben auch die Wahrheit immer wieder veröffentlicht werden.
Meine Hauptquelle ist Pinchas E. Lapide: Rom und die Juden (Freiburg 1967), eine weitere Konrad Löw: Die Schuld (Gräfeling 2002) – ein eigentümliches Buch: eine gewisse Tendenz darin ist mir unverständlich. An Quellen bin ich bei ihm einmal auf eine so obskure Publikation gestoßen, daß ich meinte, ein wichtiges Zitat auslassen zu müssen; dann aber habe ich dieses Zitat von der Jüdischen Allgemeinen bestätigt gefunden. von diesen beiden Autoren habe ich viele Informationen übernommen, ohne sie in jedem Fall besonders zu nennen. Weitere Informationen habe ich von Michael F. Feldkamp: Goldhagens unwillige Kirche (München 2003).
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