Samstag, 17. Dezember 2011

Pie, quo vadis?

Treue zum katholischen Glauben ist die Ratio essendi der Pius-Bruderschaft. Aber Treue zum katholischen Glauben ohne Einheit mit der katholischen Kirche, mit dem Heiligen Stuhl? Wer auf die Einheit verzichtet, fürchte ich, begibt sich auf dem Weg zur Sekte. Und wenn Papst Benedikt eine «doktrinelle Präambel» vorlegt, so scheint es mir, kann ein Katholik ihm vertrauen und sie unterzeichnen (was freilich Verhandlungen über mißverständliche Formulierungen nicht ausschließt).

Doch auch die Kirche braucht die Pius-Bruderschaft – in einer Zeit, in der es in Österreich eine antikirchliche «Pfarrerinitiative» wirken kann, während gute Priester (von Pfarradministrator Andreas Skoblicki in Kopfing [D.Linz] bis zu Pfarrvikar Augustine Paraplakal in Ablach [D. Rottenburg-Stuttgart]) vergrault werden, kann die Kirche nicht auf eine große Zahl frommer Priester verzichten. Und eine Spaltung läßt das Spektrum beider Seiten verarmen. Zudem bleibt anzuerkennen, daß die Pius-Bruderschaft (im Verein mit der Priestervereinigung vom hl. Johannes Maria Vianney) über zwei Jahrzehnte hindurch allein es war, die die Treue zum Konzil (Conc. Trid., Sessio XXIII: Doctrina de sacramento ordinis, cap. 2.,4.) gewahrt und auf dem Weg zum Priestertum alle sieben Ordines gespendet hat.
Darum muß ich wünschen, daß der Pius-Bruderschaft nicht unnötige Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Wenn Bischof Bernard Fellay in seiner Predigt am Fest der Unbefleckten Empfängnis (ich zitiere nach kath.net) ein irreführendes Traditionsverständnis moniert, so sieht er leider keineswegs Gespenster – ebendieses Verständnis, noch dazu abstrus überspitzt, verbreitete jüngst hierzulande – im «Agricolaforum der katholischen Akademie im Bistum Dresden-Meißen» – ein katholischer Theologieprofessor.
Zur Präambel gehört offenbar die «professio fidei» von 1988. Hier steht zum Schluß: «Insuper religioso voluntatis et intellectus obsequio doctrinis adhaereo quas sive Romanus Pontifex sive Collegium episcoporum enuntiant cum magisterium authenticum exercent etsi non definitivo actu easdem proclamare intendant.» Wenn Bischof Bernard Fellay sich sorgt, mit dieser Formulierung könne die Bruderschaft auf jenen falschen Traditionsbegriff festgelegt werden, so erscheint mir diese Sorge nicht abwegig.
Darüber hinaus: was ist ein «religiosum voluntatis et intellectus obsequium»? Ich könnte etwas Sinnvolles da heraus deuten; doch andere Deutungen liegen nicht minder nahe. Und «intellectus obsequium» klingt mir doch ein wenig nach Denkverbot.
In der «professio catholicae fidei», die noch den C.I.C. von 1917 einleitete, gab es keinerlei solche Formulierung. Dort gab es zwar eine Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Papst – «veram obedientiam spondeo ac juro» – und ein Bekenntnis des Glaubens gegenüber den Konzilsbeschlüssen – «tradita, definita ac declarata ... indubitanter recipio atque profiteor» –, aber so weit wie die moderne Professio – «quas sive Romanus Pontifex sive Collegium episcoporum enuntiant cum magisterium authenticum exercent etsi non definitivo actu easdem proclamare intendant» – ging sie keineswegs. Und ich fürchte, wenn ich den Denzinger daraufhin durchstöberte, was durch die Zeiten Päpste und Konzilien alles außerhalb der definierten Glaubenslehren authentisch geäußert haben, geriete auch ich an Stellen, die mir die moderne Professio fidei schwer machten.
Klar ist, daß weder einer der Memorandum-Professoren noch ein Pfarrer der Pfarrerinitiative ehrlicherweise diese Professio aussprechen oder unterzeichnen könnten. Offensichtlich aber haben sie es, soweit sie nicht 1988 schon in ihrem Amt waren, doch getan.
Könnte der Unterschied zwischen den Angehörigen der Pius-Bruderschaft und dem fortschrittlicheren Teil des katholischen Klerus etwa einfach der sein, daß letzterer das (sagen wir einmal:) robustere Gewissen hat?

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