Montag, 29. Juli 2019

Abba – Vater

Schon als Schüler hatte ich davon gehört, daß Abba eine Zärtlichkeitsform sei, wie „Papa“. Damals habe ich das unkritisch aufgenommen und es auch einmal in einem langen Gespräch mit einem Zeugen J”s erwähnt. Herr Zöllfell widersprach: das entspreche nicht der Höhe der Sprache des Evangeliums. Nun habe ich keine Sympathie für diese Sekte, doch habe ich so manche achtenswerte Person aus ihr kennengelernt; und diese Antwort beeindruckte mich. Ich bin später dieser Frage weiter nachgegangen, mit klarem Ergebnis: Abba ist im Palästinensischen Aramäisch der Status emphaticus und damit auch die Anredeform von ab – Vater, es ist dafür nur diese Form überliefert. Die Frage ist nur, woher das geminierte b stammt, daß es naturgemäß im Status absolutus und Status constructus nicht gibt, aber ebensowenig in den Formen mit Possessivsuffix.
Als ich in E&Ewald (Aus dem Schilfdickicht des Jordan. E&E 7 (2002), S.23-26) diese Frage besprochen habe, habe ich mich Joachim Jeremias angeschlossen, der (wenn er auch der Lallform-These beipflichtet) darin eine analoge Bildung zu imma – Mutter erkennt.
Als dieses Wort in den Meßtexten des heutigen Sonntags auftaucht, habe ich weiter Gelegenheit, darüber nachzudenken. Dabei kommt mir eine zweite Analogie in den Sinn, die bei der Entstehung dieser Form nicht minder bedeutsam gewesen sein könnte.
Rabb- bedeutet „viel“ und dann auch „stark, mächtig“. Im Arabischen bedeutet es auch „Herr“, im Späthebräischen und Aramäischen „Meister“. In dieser Bedeutung wird es oft mit dem Possessivsuffix der 1. P. Sg. verbunden: rabbî, im Jiddischen stehen für die Religionsgelehrten die Form mit diesem Suffix und die ohne es nebeneinander: Row und Rebbe.
Der aramäische Status emphaticus dieses Wortes ist natürlich rabba. Rabba und daneben aba: das könnte dazu beigetragen haben, dieses letztere Wort, das ja auch als ehrende Anrede geistlicher Persönlichkeiten benutzt wurde (J. Jeremias erwähnt es, Jesus spielt darauf an: Matth. 23, 9), anzugleichen zu abba.

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