Seit einiger Zeit wabert der Begriff „Disruption“ durch die Medien, die von düsteren Gestalten wie dem neuen argentinischen und dem neuen US-amerikanischen Präsidenten gebraucht wird.
Schon der Begriff weckt Vorbehalte: sprachlich wäre natürlich „Diruption“ die deutlich bessere Form (man sagt ja auch nicht „Disrigent“).
Bisher ich habe ihn eher für eine bedeutungsarme Floskel gehalten. Nun aber bin ich auf einen Artikel von Lukas Franke gestoßen: „Lustvolle Zerstörung“. In ihm wird aufgezeigt, daß dahinter eine Ideologie steckt, die die Macht des Staates und die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen letztlich auslöschen will zugunsten des Rechtes des Stärkeren, und das heißt vor allem: des wirtschaftlich Stärkeren. So wird ein anarchistischer Immoralismus gefordert, dessen höchstes Prinzip der Egoismus ist.
Die Begründung: «alle Versuche, die ungestüme kapitalistische Dynamik einzuhegen, seien zum Scheitern verurteilt, weswegen es besser sei, sich der Beschleunigung der Marktkräfte hinzugeben.» Die Rechte des wirtschaftlich Schwächeren werden abgetan, indem sie «als „schlurfende Untote“ verächtlich gemacht» werden.
Der Autor bezeichnet diese „dark enlightment – dunkle Aufklärung“ genannte Ideologie als «eine bizarre Mischung aus Science-Fiction und Popkultur»; sie stellt somit eine Kulmination der Moderne dar.
Danach allerdings baut der Artikel leider ab: er findet plötzlich, daß diese Ideen «auf eine grundsätzliche Ablehnung der Moderne, der Aufklärung und der Ideen der Französischen Revolution hinauslaufen» – ein Gegensatz, den es nicht gibt: als hätten «Science-Fiction und Popkultur» nichts mit Moderne zu tun. Er spricht davon, diese Strömung sei «angereichert mit misanthropisch-elitären Theoriefetzen, die an Ernst Jünger, Oswald Spengler oder auch Julius Evola erinnern» – was auch immer man über Ernst Jünger und Oswald Spengler sagen mag: Anarchisten waren sie nicht.
Oswald Spengler allerdings hat etwas von der Art der „Disruption“ geschrieben: «Die Welt als Beute» war seine Prognose. Doch die hat er erst für das übernächste Jahrhundert gestellt; für unser und das nächste Jahrhundert «Sieg der Gewaltpolitik über das Geld» – das ist ja nicht die Richtung der „Disruption“. Wenn er dann aber hinzufügt: «Zunehmend primitiver Charakter der politischen Formen», kann man ins Nachdenken kommen.
Für Christen und Humanisten entsteht so ein Dilemma, das sich etwa bei den letzten US-Wahlen gezeigt hat: zwei Immoralismen stehen einander gegenüber, der der „Disruption“ und der der Gegenseite mit Abtreibung und ähnlichem Gedankengut. Und es stimmt, daß Präsident Trump politische Gefangene aus der Zeit seines Vorgängers befreit hat. Und natürlich macht das die Idee der „Disruption“ nicht erträglich.
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