Mittwoch, 19. Mai 2010

Pius XII. – Pacelli in brauner Sicht

Mein im II. Weltkrieg gefallener Onkel dürfte sich einst die Brochure beschafft haben, die seitdem in unserem Familienbesitz ist. Er betätigte sich früher in der Jugendarbeit der Diözese Münster und wollte wohl den Feind genauer beobachten.
«Männer um den Papst/Wer macht die Politik des Vatikans?» heißt sie. Sie ist 1938 erschienen im «Zentralverlag der NSDAP. Franz Eher Nachf G. m. b. H., Berlin», im 121. bis 150. Tausend. Angemerkt ist: «Diese Broschüre ist als Fortsetzungsfolge im „Angriff“ vom 11.11.37 bis 20.11.37 erschienen».
Die Texte wie auch der Druck der Brochure gehen also auf das Pontifikat Pius XI. zurück, auf die Zeit, als Kardinal Pacelli, der spätere Papst Pius XII., Kardinalstaatssekretär war.
Eigentlich mußten die Nationalsozialisten Papst Pius XI. hassen. Schon 1928 hatte er den Antisemitismus durch das Heilige Offizium verdammen lassen, im März 1937 durch die Enzyklika «Mit brennender Sorge» den Nationalsozialismus im besonderen verdammt. Seine Erklärung «Wir sind im geistlichen Sinne Semiten» stammt allerdings erst aus dem September 1938.
Aber die Autoren der Brochure hielten es wohl für taktisch klüger, nicht den Papst anzugreifen, sondern seine Ratgeber.
Ihr besonderer Haß gilt dem Kardinal Pacelli. Die Titelseite zeigt ein geschickt ausgewähltes Photo, auf dem ein dicker glatzköpfiger Mann dem breit lächelnden Kardinal den Ring küßt. Sie umfaßt (außer vier Anhängen) sechs Kapitel, deren erstes die Organisation der Kurie darstellt, die nächsten vier beschreiben vier Männer der Kurie, das sechste einige Nuntien.
Gleich das II. Kapitel (S. 8-11) gilt dem «Kardinal=Staatssekretär Pacelli». Einige Zitate aus diesem Kapitel sollen zeigen, wie die Nationalsozialisten den Kardinal und späteren Papst bewerteten, dem gewisse moderne Autoren Sympathie zum NS-Regime zu unterstellen sich mühen:
«.. und als ihm [Kardinal Pacelli] sein hohes Amt große Reisen nach Nord= und Südamerika und nach Frankreich ermöglichte, war er schon festgefahren und stellte auch diese Reisen noch in den Dienst eines unversöhnlichen Kampfes gegen den Nationalsozialismus. ... und eine unglückliche Liebe zum Deutschland des Weimarer Systems verleitet ihn nur noch mehr, gegen die heutige Staatsauffassung anzukämpfen. Diesem Kampf wird auf katholischer Seite alles geopfert, und alle erreichbaren Kräfte werden gegen das Dritte Reich mobilisiert. ... Pacelli hat sich mit diesem Kampf auf einen Weg begeben, der eines Tages die katholische Hierarchie des Auslandes, die Kardinäle und den Papst vor die Frage stellen wird: Ist der Vatikan für den Kampf Pacellis gegen das Dritte Reich da oder hat Pacelli dem Vatikan zu dienen?
... Pacelli ist schließlich verantwortlich für die schroffe Haltung des Vatikans gegen die Achse Rom – Berlin. Er hofft auf eine Rettung seines politischen Systems durch eine Anlehnung an die westlichen Demokratien»
(S.11).

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