Mittwoch, 19. Juni 2019

Eucharistie und Versteinerter Wald

«In der Monstrantz Ist Christus gantz / Kein Brod Substantz» – so dichtete Friedrich v. Spee. Und die Kirche lehrt ebenso, daß das gewandelte Brot der Substanz nach Leib des Herrn ist, nur noch die Akzidentien vom Brot stammen.
Nichtsdestoweniger bezeichnet der heilige Paulus das gewandelte Brot unbefangen als Brot, gerade dort, wo er hervorhebt, daß es nicht einfach Brot, sondern eben Leib des Herrn ist (I. Cor. 11, 26-28). Ebenso unbefangen wird es im Römischen Hochgebet (im Unde et memores) als «Heiliges Brot des ewigen Lebens» bezeichnet, vom heiligen Thomas im Lauda Sion als «panis vivus et vitalis» (im Kirchenlied Deinem Heiland, deinem Lehrer: «Dieses Brot ..., welches lebt und gibt das Leben»); und Friedrich v. Spee selber dichtet in der ersten Strophe des angeführten Liedes (O Christ hie merck – im GL nur noch in den Eigenteilen mancher Diözesen vorhanden): «Diß brod all gut / Gott / Fleisch und Blut / Begreifen thut.»

Was also – darf man das gewandelte Brot noch Brot nennen, ist es gar noch Brot?
Eine einfache Antwort bietet das Alte Testament: «weil du Staub bist und in den Staub zurückkehren wirst» (Gen. 3, 19 – wir kennen diesen Vers auch durch den Spruch, mit dem uns das Aschenkreuz erteilt wird: «Memento, homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris») – wenn auch der Mensch durch Gottes Atem ein anderes Wesen ist als der Lehm, aus dem er geschaffen wurde (Gen. 2, 7), so kann er doch noch Staub genannt werden. Ebenso kann der Leib des Herrn noch Brot genannt werden, obwohl er wesentlich etwas anderes ist.
Übrigens ist diese Darstellung der Schöpfung des Menschen in diesen Versen sehr realistisch: die Materie des Menschen ist dieselbe wie die des Lehms; nur durch die Form, die ihm (abgesehen von vielen biologischen Zwischenschritten) durch Gottes Atem gegeben worden ist, ist er etwas wesentlich anderes.
Doch dieser Vergleich klärt zwar, daß, wenn es recht verstanden wird, es gestattet ist, das gewandelte Brot noch so zu nennen, aber dessen Ontologie klärt er nicht; denn von den Akzidentien des Staubes ist beim Menschen wenig geblieben, beim Leib des Herrn von denen des Brotes dagegen alles.
In der Sache ist der Gegensatz zwischen eucharistischer Wandlung und Versteinerung diametral, doch ontologisch lohnt es, diese zum Vergleich heranzuziehen.
Im Juli 2018 hat Norbert Westhof im Kölner Rundbrief der Priesterbruderschaft St. Petrus unter dem Titel Die Transsubstantiation im Lichte des Wesensbegriffs der abendländischen Geistes-Geschichte einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er die Transsubstantiationslehre als Bruch mit der griechischen Philosophie auffaßt. Seine Argumentation soll hier nicht in Frage gestellt werden; doch, illustriert durch ein anderes Beispiel, will ich zeigen, daß diese Lehre sich der aristotelischen Philosophie nicht wirklich entzieht.
[Ein Hinweis für Anaristoteliker: eine Substanz ist zusammengesetzt aus Materie und Form; die Form verleiht ihr das Dasein, die
Energie, den Actus, sie bestimmt ihr Wesen.]

Im Naturkundemuseum unserer Stadt steht der Versteinerte Wald, der aus Baumstämmen besteht, die im Perm versteinert sind. Die Akzidentien der Bäume sind noch großenteils erhalten, noch sichtbar; doch sind die Stämme der Substanz nach jetzt Stein, kein Holz mehr, denn die Materie der Bäume hat durch natürliche Ereignisse eine andere Form erhalten, die des Steines. Dennoch ist in der äußeren Gestalt der Stämme vieles geblieben, was von der Form der Bäume bedingt ist.
So sind auch der Hostie die Akzidentien erhalten geblieben, die von der Form des Brotes bedingt sind; doch in der Wandlung hat sie die Form erhalten, die nun ihre Substanz bestimmt: was Brot war, ist jetzt Leib des Herrn.
Nichtsdestoweniger kann der Naturwissenschaftler nach wie vor anhand der Akzidentien die botanische Spezies der versteinerten Stämme bestimmen, die verwandelte Hostie äußerlich als Brot beschreiben.

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