Im Oktober hatte ich aus ganz besonderen Gründen das Vorrecht, fast eine Woche lang im Priesterseminar in Wigratzbad zu verbringen.
Natürlich war es auch – auch – eine einfach schöne Zeit: zum Teil noch spätsommerlich schönes Wetter, die Wanderwege in der Allgäuer Landschaft mittlerweile sehr gut ausgeschildert, opulent ausgestattete Barockkirchen in der Umgebung. Dann die Gebetsstätte: geschmacklich ließe sich schon einiges anmerken; wie aber die Andachtsstätten und Andachtsstättchen im Grünen verteilt sind, ist doch hübsch. Und es gibt da wirklich Geistliches: die Anbetungskirche, den Kreuzweg. Und hinter der Ölbergkapelle, deren Architekt von Ronchamp träumte, erscheint in seltsamer Pracht die Sühnekirche in frühpostmodernem Neo-Chinois-Stil (von Gottfried Böhm, einem Sohn Dominikus Böhms).
Aber es war sehr viel mehr als nur eine schöne Zeit. Da waren die Gottesdienste. Sie begannen für mich mit der Ersten Sonntagsvesper, es gab tägliche Messen und weitere Gebetsstunden. Der Höhepunkt war das levitierte Hochamt am Sonntag; dazu kamen weitere Messen und Vespern mit gregorianischem Gesang. Doch es gab auch stille Messen. Wenn auch naturgemäß weniger eindrücklich als die gesungenen Messen, zeigten sie doch ihren ganz eigenen Wert: als intensive Gelegenheit zu ruhiger Betrachtung. In allen Messen und Gebetsstunden stimmte alles: alles war, alle waren auf die heilige Handlung, auf den Herrn ausgerichtet; nie erschien etwas zufällig im Chorraum, alles war bedeutsam.
Dann das Seminar. Die Priester der Petrusbruderschaft erlebte ich als eindrückliche, glaubwürdige Persönlichkeiten, die Seminaristen als engagiert, interessiert, klug. Alle erscheinen verbunden durch das gemeinsame geistliche Anliegen. In der Glaubenshaltung zeigen sich Priester und Seminaristen klar und konsequent, doch (wenn man nicht schon das Strenge nennen will) besondere Strenge nehme ich nicht wahr, weder Einseitigkeit noch Weltfremdheit. Mir fällt die gegenseitige Achtung, die Freundlichkeit im Umgang auf und die gute Stimmung. Ich erinnere mich an den Widerwillen von Theologiestudenten gegenüber dem diözesanen Priesterseminar, dem «Kasten», ihre Unzufriedenheit mit dem Leben dort – hier ist nichts dergleichen zu spüren.
Das Leben im Seminar verläuft in ausgewogener Form. Bei den Mahlzeiten gibt es eine Tischlesung statt; doch auch für Gespräch ist noch Raum. Es ist ein internationales Seminar. Es gibt einen deutschsprachigen und einen frankophonen Zweig, doch die Zahl der Herkunftsländer ist kaum überschaubar. Und so höre ich auch einmal, daß man auf Latein miteinander redet.
Eine ungewöhnliche Umgebung für einen Laien; und doch eine Freude und eine geistliche Vertiefung, hier einige Tage leben zu dürfen.
Schon 1936 hatte mit der Errichtung der «Lourdesgrotte» – zum Dank dafür, daß die Gründerin nationalsozialistische Nachstellungen unbeschadet überstanden hatte – die Geschichte der Gebetsstätte begonnen. Das Priesterseminar besteht seit 1988 in freundlichem Nebeneinander mit der Gebetsstätte; seit 2000 hat es seine eigenen Gebäude, seit diesem Sommer einen neuen Anbau, um die Menge der Priesteramtsbewerber unterbringen zu können. Doch auch dieser Anbau ist bereits voll belegt, eigentlich schon überbelegt. Ich lese: die Petrusbruderschaft, der 228 Priester angehören, zählt 164 Seminaristen (10 Diakone eingerechnet) in zwei Seminaren – das zweite liegt in Amerika. Vom Andrang der Bewerber ebenso wie von der Qualität des geistlichen Lebens ist es deutlich, daß hier die Zukunft der Kirche liegt. Doch an Kirchensteuermitteln erhält das Seminar nichts, alles wird durch Spenden finanziert. Wer für die Zukunft der Kirche spenden will: hier ist dazu Gelegenheit.
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