Montag, 3. Oktober 2011

Ehe, Scheidung und ein Theologieprofessor

In der Ausgabe der örtlichen Kirchenzeitung, die direkt vor dem Besuch des Papstes erschien, fand sich ein Interview mit dem Moraltheologen Prof. Schockenhoff «über die Kirche und das Gewissen gescheiterter Eheleute: Es muss einen Ausweg geben».
«Die jetzige Regelung jedenfalls ist unbarmherzig», ist da zu lesen. «Sie ist ein Relikt eines seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil überkommenen Eheverständnisses. Allerdings sind die kirchenrechtlichen Konsequenzen aus dem Wechsel zu einer personalen Eheauffassung nie gezogen worden, die das Konzil vorgenommen hat.»
Es klingt, als sei diese kirchenrechtliche Regelung ein Relikt aus, sagen wir einmal: dem XIX. Jahrhundert, eine Fehlentwicklung, die durch ein Konzil beseitigt werden könnte.
Das aber ist sie nicht. In Wirklichkeit hat sie in der westlichen Kirche immer gegolten, auch wenn sie nicht immer durchgesetzt werden konnte. So kann kein Konzil sie einfach ändern; und siehe: das II. Vaticanum hat gar nicht gefordert, Ehescheidungen zu ermöglichen.
Und «unbarmherzig»? Juristisch ist diese Regelung sowieso nicht durchsetzbar. Jeder, der geschieden und dann standesamtlich anderweitig verheiratet ist, kann ohne weiteres in eine Nachbarkirche gehen, in der er nicht bekannt ist, und dort kommunizieren. Die kirchenrechtliche Regelung hat nur die wirkliche Bedeutung, daß sie ihn darauf hinweist, daß seine Lebensführung dem Gebot Christi so entgegensteht, daß er deshalb den Leib Christi nicht empfangen kann. Wenn dieser Hinweis richtig ist, so ist er nicht «unbarmherzig», sondern schlicht notwendig.
Daß er richtig ist, scheint jedoch Prof. Schockenhoff zu verneinen: «Eine zweite Hochzeit hat Jesus gar nicht im Blick», sagt er im Interview. Eine sonderbare Meinung, wenn ich etwa das Marcus-Evangelium heranziehe: «Wer seine Frau entläßt und eine andere heiratet, bricht ihr gegenüber die Ehe; und wenn sie ihren Mann entläßt und einen anderen heiratet, bricht sie die Ehe» (10, 11 f.).
Noch sonderbarer sind Prof. Schockenhoffs Lösungsvorschläge: «Ich setze auf die Gewissensentscheidung der Betroffenen» und «Die Kirche sollte dieses Gewissensurteil respektieren.» Welch objektive Entscheidungen erwartet Prof. Schockenhoff da von den «Betroffenen»? – mir erscheint das weltfremd. Dann aber sagt er selber: «Es gibt Gründe, eine Ehe zu verlassen, die einfach niederträchtig sind und die dürfen nicht die moralische Zustimmung anderer finden.» Wie paßt das zusammen? Meint er, Menschen, die sich solch «besonderer Rücksichtslosigkeit» schuldig gemacht hätten, wären nicht bereit, ein «Gewissensurteil» zu fällen, das eben dieses Handeln approbiert? Wenn er keinen solchen Fall kennt: ich kenne ihn.
Schließlich: «Die Kirche könnte deshalb eine zivile Zweitehe als moralisch vertretbare Realität dulden». In einer Situation, in der nach der Lehre der Kirche eine Eheschließung nicht möglich ist, soll sie dann Katholiken den Weg zu einer nichtigen Eheschließung auf dem Standesamt freigeben?
Ich habe viel Mitgefühl für Menschen, die von ihrem Ehegatten verlassen wurden oder so drangsaliert wurden, daß sie selber ihn verlassen mußten. Ich habe da schlimme Fälle gesehen und wäre darum dankbar, wenn man diesen Menschen helfen könnte. Doch: Prof. Schockenhoffs Weg ist da kein Ausweg.

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